Die 51 Geistesfaktoren1

Verse der Ehrung und Einleitung

Zu allen Zeiten nehme ich Zuflucht und verneige mich zu Füßen des edlen Dsche­tsün2 Lama, der ohne Unterschied zum Beschützer Mañjughoṣa ist. Ihn bitte ich, mit seiner großen Barmherzigkeit zu allen Zeiten nach mir zu sehen.

Ich verneige mich vor dem unübertroffenen Schutz, dem Buddha Śākyamuni, der durch die Kraft des Erbarmens die Zwei Anhäufungen [von Verdienst und Weisheit] vollendet hat, der die hindernde Dunkelheit [seines Geistes] beseitigt und so die Erkenntnis aller Phänomene erlangt hat und der das, was er selbst sieht, den Lebewesen erhellt.

Mit von Herzen respektvollem Geist verneige ich mich vor dem Statthalter des Siegers, dem Beschützer Mipam,3 der gegenüber den Lebewesen nichts als Liebe4 praktiziert und daher in allen drei Zeiten als „Liebender5 Beschützer“ bekannt ist.

Ich verneige mich vor den Sechs Schmückungen der Welt und den Zwei Erhabenen Wesen,6 die vom Zur-Glückseligkeit-Gegangenen7 vorhergesagt wurden, die die edle Tradition des Überwinders,8 das Tiefe und das Weite,9 erhellt haben und als Wegbereiter [des Großen Fahrzeugs] berühmt sind.

Ich verneige mich vor dem Dschamgön10 Lama [Tsongkhapa], der in diesem Land, das von einem Kranz schneebedeckter Berge umgeben ist, den weiten Hain mit tausenden Blütenblättern aus Sūtras, Tantras und Kommentaren neu erblühen ließ und gleichen Lobes wert ist wie die Sonne des Siegers.11

Möge der Dschetsün Lama, das tagbringende Licht, stets im Zentrum der Lotusblüte meines Herzens verweilen. Von ihm wird das Auge des Verstandes, das den Guten Pfad schaut, schon allein dadurch erhellt, dass man nur die Lichtstrahlen seiner Heilsaktivität zu Gesicht bekommt.

Obwohl jemand wie ich anderen dauerhaft nicht helfen kann, will ich in Übereinstimmung mit den Schriften über Höheres Wissen ein wenig über die Beschaffenheit von Geist und Geistesfaktoren schreiben, weil ich von anderen darum gebeten wurde und weil dadurch die Vertrautheit meines Geistes mit den Guten Lehren wächst.

Der Daseinskreislauf entsteht aus befleckten Taten und verblendeten Bewusstseinszuständen ‒ Die verständigen Menschen, die ihren Geist auf die Bedeutsamkeit späterer [Leben] richten, indem sie sich nicht allein damit zufrieden geben, in dieser Welt bis zum Tode Nahrung und Kleidung zu finden, sondern darüber nachdenken, welche Situation sie wohl in der nächsten Welt erwarten wird, sollten sich fragen, was die Wurzel dafür ist, dass man seit anfangsloser Zeit in dem Daseinskreislauf der Drei Bereiche ohne Selbstbestimmung umherkreist und so ununterbrochen Leiden erlebt. Wenn man sich darüber Gedanken macht, muss man erkennen, dass die Leiden des Daseinskreislaufes nicht so beschaffen sind, dass sie ohne Ursachen oder aus Ursachen, die [ihren leidhaften Wirkungen] nicht entsprechen, entstanden wären. Vielmehr sind sie aus ihren spezifischen Ursachen, nämlich Taten und Leidenschaften, hervorgegangen. So sagt der Beschützer Nāgārjuna [in seinem Kostbaren Kranz von Ratschlägen an den König12 (35)]:

Solange es die Vorstellung der Aggregate [als wahrhaft existent] gibt, gibt es die daraus [hervorgehende] Vorstellung eines [wahrhaft existenten] „Ich“. Gibt es die Vorstellung vom „Ich“, so gibt es auch Taten; und daraus entsteht Geburt.

Und weiter sagt [Nāgārjuna in den Grundversen über den Mittleren Weg, „Weisheit“ genannt,13 (XXV, 10)]:

Gestaltende [Tat] ist die Wurzel des Daseinskreislaufs; deshalb gestalten die Weisen nicht. Der Nicht-Weise ist daher der Handelnde.

[Der Unterschied zwischen] den Weisen [und den] Nicht-[Weisen ist] deshalb [darin begründet, dass jene] die endgültige Realität sehen; [die Nicht-Weisen aber nicht].

Der Meister Āryadeva sagt [in den Vierhundert Versen14 (XIV, 25ab)]:

Der Samen des weltlichen Daseins ist das Bewusstsein; die Objekte sind [nur] dessen Betätigungsfeld.

Der Meister Candrakīrti sagt [im Eintritt in den Mittleren Weg]:15

[Der Buddha] hat gelehrt: Der Geist selbst bringt die Welten der fühlenden Wesen und die Welten ihrer Umgebungen in ihrer Vielfalt hervor. All die Wesen sind ohne Ausnahme aus der Tat geboren.

Der Meister Vasubandhu sagt [im Schatzhaus des Höheren Wissens (IV, 1a)]:

Aus der Tat sind die vielfältigen Welten entstanden.

Und [weiter im Schatzhaus (V, 1a)]:

Die Wurzel des weltlichen Daseins sind die sechs Subtilen und Zunehmenden [Leidenschaften].16

Mit diesen und vielen [anderen Zitaten] wird gelehrt, [dass Leidenschaften und Taten die Ursachen des Daseinskreislaufs sind]. Auch in seiner Anleitung auf dem Weg zum Erwachen lehrt Śāntideva entsprechend (V, 6):

„Denn alle Gefahren und auch die unermesslichen Leiden sind aus dem Geist hervorgegangen“; so hat es der Verkünder der Wahrheit selbst gelehrt.

Und weiter heißt es dort (V, 17-18ab):

Jene, die die höchste [und] wichtigste der Lehren, das Geheimnis des Geistes, nicht verstehen, mögen zwar den Wunsch haben, Glück zu erreichen und Leiden zu vernichten, doch sie werden weiter sinnlos [im Daseinskreislauf] umherirren. Aus diesem Grunde sollte ich gut auf meinen Geist achten und ihn gut behüten.

Und weiter (V, 41-45):

Leiden, ein unglücklicher Geist, vielfältige Ängste und die Trennung von Geliebtem: [All das] ergibt sich aus einem Verhalten voller schlechter Taten.

Wer im Geist Heilsames beabsichtigt und es ausführt, wird überall, wohin er auch gehen mag, [wie] als Geschenk mit den Früchten gewürdigt werden, die aus den Verdiensten seines Tuns wachsen.

Wer Schlechtes tut, mag wohl nach Glück verlangen, doch wird er überall, wohin er auch gehen mag, aufgrund seiner schlechten Taten von den Waffen des Leidens vernichtet werden.

Als Resultat seiner heilsamen Taten weilt [der Bodhisattva] als [geistiges] Kind des Glückselig-Gegangenen vor dem Sieger, wo er im Herzen eines weiten, duftenden und kühlen Lotos wohnt, sein herrlicher Glanz hervorgebracht von der Nahrung der wohlklingenden Stimme des Siegers, während er einen höchsten Körper besitzt, der geboren ist aus einem von den Lichtstrahlen des Überwinders entfalteten Lotos.

Doch als Resultat seiner unheilsamen Taten erlebt [das Höllenwesen] äußerste Angst und Verzweiflung, wenn ihm die Folterknechte Yamas die Haut vom ganzen Körper abziehen; wenn flüssiges Kupfer, geschmolzen von heißesten Feuern, in seinen Körper gegossen wird; wenn sein Fleisch, von flammenlodernden Schwertern und Spießen gestoßen, in hundert Stücke zerspringt und er auf die heftig brennenden Eisenböden niederfällt.

Wie in diesen Zitaten zum Ausdruck gebracht wird, lehren die Sūtras und Tantras und die Kommentare nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder, dass der gesamte Daseinskreislauf in Gestalt der Wesen und ihrer Umgebung durch seine spezifischen Ursachen entstanden ist, nämlich durch die Macht von Taten und Leidenschaften. Ebenso lehren sie, dass alle guten Eigenschaften auf den Ebenen und Pfaden der drei Fahrzeuge und alle ihre Resultate, die Buddha-Länder, die Lebenszeit eines Buddha und seine handelnde Heilsaktivität, ausschließlich aus ihrer spezifischen Ursache, einem reinen Geist, entstehen. Dies zeigt, dass der Geist allein die Wurzel des gesamten Daseinskreislaufs und Nirvāṇas ist.

Aus diesem Grund ist das Wissen um die Beschaffenheit von Geist und Geistesfaktoren äußerst wichtig, und deshalb will ich hier eine kurze Darstellung von Geist und Geistesfaktoren niederschreiben. Sie besteht aus zwei Teilen:

  1. eine Darstellung des Wesens und der Unterteilungen des Geistes und der Geistesfaktoren,
  2. eine Zusammenfassung von Bedeutung und Zweck [dieser Darlegungen] und der Art und Weise, wie sie bei der Übung anzuwenden sind.

Wesen und Unterteilungen von Geist und Geistesfaktoren

Unterschied zwischen Geist und Geistesfaktoren

Was den Unterschied zwischen Geist und Geistesfaktoren angeht, so sagt [Maitreya] in der Unterscheidung zwischen der Mitte und den Extremen17 (I, 8):

Das Wahrnehmen des Objekts ist das Hauptbewusstsein; dessen Besonderheiten sind die Geistesfaktoren.

Und im Schatzhaus heißt es (I, 16a):

Das Hauptbewusstsein ist die Haupterkenntnis [des Objekts] als etwas Individuelles.

Wie diese und andere Schriften lehren, wird die Erkenntnis der bloßen Entität des Objekts als „[Haupt-]Geist“ beschrieben. Auf der Grundlage der Beobachtung des Objekts gibt es weitere Faktoren bei der Beschäftigung [des Bewusstseins] mit demselben Objekt, die sich durch spezifische Eigenschaften wie ihre Wirkungsweise und anderes voneinander unterscheiden. Diese werden „Geistesfaktoren“ genannt. So stellt es auch der allwissende Gyältsab [Darma Rintschen] dar:18

Wie [Asaṅga sagt] ist der Haupt[-Geist], zum Beispiel bei einem Sinnesbewusstsein, das etwas Sichtbares erfasst, „die Erkenntnis des Objekts als etwas Individuelles“.

Wie es hier erklärt wird, wird [– etwa im Falle eines Augenbewusstseins –] dieses durch die bloße Beobachtung des sichtbaren Objekts als Hauptbewusstsein bestimmt, unabhängig davon, ob Gewissheit über das Objekt erzeugt wird oder nicht. Jeder einzelne der begleitenden Geistesfaktoren hat auf der Grundlage dieser Beobachtung des Sichtbaren seine [spezifischen Eigenschaften,] an denen er zu erkennen ist. Jeder Geistesfaktor besitzt seine jeweils eigene Wirkungsweise, wie etwa die, dass er den Geist auf das Objekt hin bewegt, und seine besonderen Wesensmerkmale, wie etwa das Nicht-Vergessen eines zuvor schon erkannten Objekts.19

Somit ist ein Hauptgeist eine Erkenntnis, die durch das bloße Beobachten des Objekts gekennzeichnet ist und nicht von anderen Besonderheiten her bestimmt werden muss.

Ein Geistesfaktor ist eine Erkenntnis, die auf der Grundlage der Beobachtung desselben Objekts mit den Eigenarten anderer Besonderheiten auf das Objekt eingeht. Dazu gehört zum Beispiel die besondere Nachwirkung, die [ein bestimmter Geistesfaktor] hinterlässt, und anderes.

Beziehung zwischen Geist und Geistesfaktoren

Untersuchung, ob Geist und begleitende Geistesfaktoren verschiedene substantielle Entitäten sind ‒ Nun mag man sich fragen: Sind Geist und Geistesfaktoren eine Entität oder verschiedene Entitäten? Im Schatzhaus heißt es dazu (II, 23):

Geist und Geistesfaktoren [entstehen] eindeutig gemeinsam.

Hier wird gelehrt, dass [ein Geist und die begleitenden Geistesfaktoren] gleichzeitig und gemeinsam entstehen und dass sie nicht verschiedene Entitäten, sondern eine Entität sind. Zudem wird gelehrt, dass ein Hauptgeist und die Geistesfaktoren, die ihn begleiten, sowohl eine Entität sind als auch von fünf bewusstseinshaften Übereinstimmungen her Entsprechungen aufweisen. Deshalb sind Ansichten nicht haltbar, die behaupten, Geist und Geistesfaktoren seien zeitlich nicht übereinstimmend oder sie seien verschiedene Entitäten. Ebenso sind Ansichten nicht haltbar, die getrennte Beobachtungsobjekte [für einen Geist und die ihn begleitenden Geistesfaktoren] bestimmen.

Um dies zu verdeutlichen: Wenn eine Erinnerung an ein Objekt wie zum Beispiel etwas Sichtbares entsteht, so stimmen der Hauptgeist und [der Geistesfaktor] Vergegenwärtigung darin überein, dass sie beide auf den Gegenstand aus dem Bereich des Sichtbaren als ihr Objekt gerichtet sind. Trotzdem sind sie als verschieden zu betrachten: Die Erkenntnis der bloßen Entität des Objekts, etwas Sichtbares zu sein, wird „Geist“ genannt; und von dem Aspekt der Wirkungsweise her, die dazu führt, dass man [das Objekt] nicht wieder vergisst, spricht man vom Faktor „Vergegenwärtigung“. Dabei sind Geist und Geistesfaktor aber nicht verschiedene Entitäten wie im Falle von Säule und Vase.

Die bisherigen Darstellungsweisen entsprechen der Erklärungsweise von Gyältsab Dsches Essenz des Ozeans des Höheren Wissens, seinem Kommentar zu [Asaṅgas] Kompendium des Höheren Wissens.20

In seinem Werk Schmuck der Logik gibt [Dsche Gendün-Drub]21 die Definition eines Hauptgeistes folgendermaßen:

[Eine Erkenntnis,] die mit den Geistesfaktoren in ihrer Begleitung aufgrund der fünffachen bewusstseinshaften Übereinstimmung verbunden ist.

Und die Definition eines Geistesfaktors lautet in derselben Schrift:

[Eine Erkenntnis,] die mit dem Hauptgeist, [den sie begleitet,] auf fünf Arten bewusstseinshafter Übereinstimmung verbunden ist.

Die fünffache Übereinstimmung zwischen Geist und begleitenden Geistesfaktoren ‒ Darüber, was die fünf Übereinstimmungen sind, gibt es zwei Erklärungsweisen, eine nach dem [Unteren System des Höheren Wissens, das heißt nach dem] Schatzhaus des Höheren Wissens von Vasubandhu, eine andere nach dem [Oberen System des Höheren Wissens, also nach dem] Kompendium des Höheren Wissens von Asaṅga.

Nach dem System Vasubandhus ‒ Die fünf Übereinstimmungen, wie sie im Schatzhaus des Höheren Wissens erklärt werden, sind:

  1. Übereinstimmung bezüglich der Basis:22 Die Geistesfaktoren beruhen auf derselben Sinneskraft, auf der auch der Geist beruht, den sie begleiten.

  2. Übereinstimmung bezüglich des Beobachtungsobjekts:23 Die Geistesfaktoren sind auf dasselbe Beobachtungsobjekt gerichtet, auf das auch der Geist, [den sie begleiten], gerichtet ist.

  3. Übereinstimmung bezüglich der Ausprägung:24 Wenn der Geist zum Beispiel mit der Ausprägung von Blau entsteht, [die das wahrgenommen Objekt hat], so entstehen auch die [begleitenden] Geistesfaktoren mit derselben Ausprägung von Blau.

  4. Übereinstimmung bezüglich der Zeit:25 Ein Geist und die [ihn begleitenden] Geistesfaktoren entstehen, bestehen und vergehen gleichzeitig.

  5. Übereinstimmung bezüglich der Substanz:26 Ebenso, wie ein Hauptgeist innerhalb einer Bewusstseinsart jeweils eine einzelne Substanz ist, ist auch ein begleitender Geistesfaktor – zum Beispiel die Empfindung – innerhalb einer Bewusstseinsart jeweils eine einzelne Substanz.

Nach dem System Asaṅgas — Die fünf Übereinstimmungen, wie sie im Kompendium des Höheren Wissens erklärt werden, sind:

  1. Übereinstimmung bezüglich der Substanz:27 In Begleitung eines einzigen Hauptgeistes innerhalb einer Bewusstseinsart kann auch jeder Geistesfaktor wie beispielsweise Empfindung auch nur einzeln auftreten; es kann innerhalb einer Bewusstseinsart der gleiche Geistesfaktor nicht in Form von zwei verschiedenen substantielle Entitäten entstehen.

  2. Übereinstimmung bezüglich des Beobachtungsobjekts und der Ausprägung:28 [Geist und begleitende Geistesfaktoren] stimmen darin überein, dass sie auf dasselbe Beobachtungsobjekt gerichtet sind, und sie stimmen darin überein, dass sie vom Beobachtungsobjekt und ihrer Ausprägung her entweder gleichermaßen von Leidenschaften getrübt sind oder gleichermaßen nicht von Leidenschaften getrübt sind.

  3. Übereinstimmung bezüglich der Entität:29 Diese Übereinstimmung ist im Zusammenhang mit der vorigen zu betrachten. Wenn der Hauptgeist von Leidenschaften getrübt ist, nehmen auch die ihn begleitenden Geistesfaktoren eine von Leidenschaften getrübte [Entität] an, und wenn der Hauptgeist unbefleckt geworden ist, nehmen auch die ihn begleitenden Geistesfaktoren eine unbefleckte [Entität] an.

  4. Übereinstimmung bezüglich der Zeit:30 Der Hauptgeist und die [ihn begleitenden] Geistesfaktoren entstehen, bestehen und vergehen gleichzeitig.

  5. Übereinstimmung bezüglich des Bereichs und der Ebene:31 Wenn der Hauptgeist ein Geist des Sinnlichen Bereichs ist, kann es in seiner Begleitung unmöglich Geistesfaktoren des Körperlichen oder des Körperlosen Bereichs geben. Ebenso können in Begleitung eines Hauptgeistes des Körperlichen [oder des Körperlosen] Bereichs unmöglich Geistesfaktoren des Sinnlichen Bereichs auftreten. Vielmehr müssen die Geistesfaktoren in Begleitung eines bestimmten Hauptgeistes stets zu demselben Bereich gehören, zu dem der Hauptgeist selbst auch gehört.

Geist

Definition In Vasubandhus Über die Fünf Aggregate32 heißt es:

Was ist das Hauptbewusstsein? Es ist die Haupterkenntnis des Beobachtungsobjekts.

Im Schatzhaus (I, 16a):

Das Hauptbewusstsein ist die Haupterkenntnis [des Objekts] als etwas Individuelles.

Und der allwissende Gyältsab-Dsche33 lehrt als Definition des Geistes:

Eine [hauptsächliche] Erkenntnis, die durch die Erkenntnis der bloßen Entität des Objekts bestimmt wird.

Die Erklärungsweise im Schmuck der Logik von Gendün-Drub wurde weiter oben schon genannt.34

Unterteilung ‒ Wenn man das Hauptbewusstsein unterteilt, gibt es die sechs Arten von Hauptbewusstsein. So heißt es auch im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist das Hauptbewusstsein? Es gibt eine Gruppierung von sechs Arten von Hauptbewusstsein: Augen-, Gehör-, Nasen-, Zungen-, Körper- und Geistiges Hauptbewusstsein. Was ist ein Augenhauptbewusstsein? Es ist eine Haupterkenntnis eines individuellen [Objekts], die auf dem Auge beruht und Sichtbares beobachtet. Was ist ein Gehörhauptbewusstsein? Es ist eine Haupterkenntnis eines individuellen [Objekts], die auf dem Gehör beruht und Töne beobachtet. Was ist ein Nasenhauptbewusstsein? Es ist eine Haupterkenntnis eines individuellen [Objekts], die auf der Nase beruht und Gerüche beobachtet. Was ist ein Zungenhauptbewusstsein? Es ist eine Haupterkenntnis eines individuellen [Objekts], die auf der Zunge beruht und Geschmäcke beobachtet. Was ist ein Körperhauptbewusstsein? Es ist eine Haupterkenntnis eines individuellen [Objekts], die auf dem Körper beruht und Tastbares beobachtet. Was ist ein Geistiges Hauptbewusstsein? Es ist eine Haupterkenntnis eines individuellen [Objekts], die auf dem Geist beruht und ein Objekt aus dem Bereich der Phänomene beobachtet.

Bei der Bestimmung der drei Umstände für die sechs Bewusstseinsarten, die verschiedene Objektbereiche wahrnehmen,35 müsste man gewiss viele Unterschiede zwischen den unteren und höheren Schulen behandeln. Doch will ich dieses Thema hier nicht weiter ausführen. In den Schriften Asaṅgas und seines Bruders [Vasubandhu] werden überdies noch ein Allem-zugrundeliegendes Bewusstsein und ein Verblendeter Geist beschrieben.

Hier aber verfolge ich mit [dieser Darstellung von Geist und Geistesfaktoren] folgendes Ziel: Bei der Übung der Kontemplationen auf dem Stufenweg zur Erleuchtung (Lamrim) muss man während des Abschnitts eines Praktizierenden von mittleren Fähigkeiten über die Nachteile des Daseinskreislaufs als Ursprung [allen Leidens] nachdenken und dabei die Beschaffenheit der Faktoren erkennen, durch die man an den Daseinskreislauf gefesselt wird, nämlich Taten und Leidenschaften. Zu diesem Zweck möchte ich hier eine allgemeingültige Beschreibung von Geist und Geistesfaktoren geben, die bei [den Kontemplationen über Lamrim] als wichtiger Umstand benötigt wird.

Ob es ein Allem-zugrundeliegendes Bewusstsein gibt oder nicht und andere Fragen in diesem Zusammenhang sind äußerst wichtige, zentrale Themen, wenn man die spezifischen Aussagen innerhalb der oberen und unteren Lehrmeinungen betrachtet. Bei der Aufteilung der Heiligen Reden in solche, die der Interpretation bedürfen, und solche, die endgültig sind, folgen Asaṅga und sein Bruder dem Sūtra von der Offenlegung der Intention [des Buddha]. In Anlehnung an dieses Sūtra postulieren sie ein Allem-zugrundeliegendes Bewusstsein und erklären, dass alle Phänomene in ihrem Wesen Nur-Geist sind. Der Beschützer Nāgārjuna und sein geistiger Sohn [Āryadeva] folgen bei ihrer Aufteilung der Heiligen Reden in solche, die zu interpretieren sind, und solche, die endgültig, sind dem Sūtra vom König der Konzentration36 und dem Sūtra der Unterweisung des Akṣayamati.37 Sie akzeptieren das Allem-zugrundeliegende Bewusstsein nicht, sondern kommentieren die Sūtras, die ein Allem-zugrundeliegendes Bewusstsein lehren, als Aussagen, die interpretiert werden müssen, weil ihnen eine [andere] Intention [des Buddha als die wörtliche Bedeutung] zugrunde liegt. Daraufhin führen sie den Beweis, dass alle Phänomene bloße begriffliche Beifügungen des Denkens sind. So sind zwei Systeme als Wegbereiter des Großen Fahrzeugs im Land der Heiligen (Indien) bekannt. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen diesen beiden Mahāyāna-Systemen in Bezug auf die Geisteshaltung, also die Art und Weise, wie der Erleuchtungsgeist hervorgebracht wird, und in Bezug auf das Verhalten, zu dem die Sechs Vollkommenheiten und so weiter gehören. Die Unterschiede sind im Zusammenhang mit der Ansicht entstanden. Obwohl diese Unterschiede [in den Lehrmeinungs-Systemen] existieren, gibt es von Seiten der beiden großen Wegbereiter Nāgārjuna und Asaṅga selbst her keinen Unterschied im dem Sinne, dass der eine höhere Ansicht hätte und der andere eine niedrigere. Vielmehr sind, wie der Buddha selbst in vielen Sūtras prophezeit hat, diese zwei Systeme, die Gedanken des Buddha zu kommentieren, aufgrund der [unterschiedlichen] geistigen Voraussetzungen auf Seiten der Schüler entstanden.

Wer die Art und Weise, wie in den Schriften Asaṅgas und seines Bruders Vasubandhu das Allem-zugrundeliegende Bewusstsein angenommen wird, wie als wichtiger Punkt dabei [beschrieben wird,] dass alle Phänomene in ihrem Wesen Nur-Geist sind, und andere zentrale Inhalte dieses Systems, die sie mit den anderen nicht teilen, genau verstehen möchte, sollte dazu sorgfältig die Schriften Asaṅgas und seines Bruders sowie des allwissenden Dsche [Tsongkhapa] studieren. Wer die spezifischen zentralen Punkte im Denken des Beschützers Nāgārjuna verstehen möchte, sollte sorgfältig die Werke studieren, die der allwissende Dsche [Tsongkhapa] dazu verfasst hat: [insbesondere] seine beiden großen Kommentare zu [Nāgārjunas] Werk* Grundverse zum Mittleren Weg, „Weisheit“ genannt38*, und zu [Candrakīrtis] Eintritt in den Mittleren Weg39, sowie die Abschnitte über Besondere Einsicht in seiner großen und kleineren [Darlegung des Stufenwegs zur Erleuchtung]. Diese Schriften sind ausgezeichnete Lehren, wie sie in den Drei Welten schwer zu finden sind.

Geistesfaktoren

Definition

Das Wesen der Geistesfaktoren wird in Vasubandhus Schrift Über die fünf Aggregate gelehrt:

Was sind die Phänomene, die aus dem Geist entstanden sind? Es sind alle jene Phänomene, die mit dem Geist bewusstseinshaft übereinstimmen.

[Entsprechend lautet die Definition eines Geistesfaktors:40

Eine Erkenntnis, die irgendwelche Besonderheiten ihres Objekts erfasst und in Begleitung eines Hauptgeistes auftritt, mit dem sie bewusstseinshaft übereinstimmt.]

Unterteilung in sechs Gruppen

Es werden [in Asaṅgas System] 51 verschiedene Geistesfaktoren unterschieden:

  1. die fünf Allgegenwärtigen Faktoren41 Empfindung und so weiter;

  2. die fünf Objekt-feststellenden Faktoren42 Anstreben und so weiter;

  3. die elf Heilsamen Faktoren43 Vertrauen und so weiter;

  4. die sechs Wurzelleidenschaften44 Begierde und so weiter;

  5. die 20 Nebenleidenschaften45 Zorn und so weiter;

  6. die vier Wandelbaren Faktoren46 Reue und so weiter.

Entsprechend heißt es in Vasubandhus Über die Fünf Aggregate:

Fünf sind allgegenwärtig. Fünf stellen das Objekt im einzelnen fest. Elf sind heilsam. Sechs sind Leidenschaften. Die Restlichen sind Nebenleidenschaften. Vier können sich auch wandeln.

Die fünf Allgegenwärtigen Geistesfaktoren

Die fünf Allgegenwärtigen Faktoren sind:

  1. Empfindung,47

  2. Unterscheidung,48

  3. Wille,49

  4. Berührung,50

  5. Aufmerksamkeit.51

1. Empfindung

Wesen ‒ Zum Wesen der Empfindung heißt es im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist das Wesensmerkmal der Empfindung? Ihr Wesensmerkmal ist das Erleben: Sie ist eine Entität des Erlebens, die die vollständig gereiften Wirkungen heilsamer und unheilsamer Taten individuell erlebt.

Das, was die Empfindung erlebt, wird hier als „vollständig gereifte Wirkung“ bezeichnet. Diese Bezeichnung wird gewählt, damit wir erkennen, dass alle glücklichen und leidhaften Empfindungen, die in uns entstehen, einzig und allein die Früchte sind, die aus unseren Taten gereift sind. Dazu sagt auch [Dsche Tsongkhapa] in der Großen Darlegung der Stufen auf dem Pfad:

Für jeden, sei er ein gewöhnliches Lebewesen oder ein Heiliger, gilt: Alle Empfindungen von Glück, die einen angenehmen, lindernden Aspekt haben, selbst das geringe Glück, das bei einem Wesen in der Hölle entsteht, wenn eine leichte, kühle Brise Wind aufkommt, entstehen aus früher angesammelten heilsamen Handlungen – es gibt kein Glück, das aus einer unheilsamen Handlung entstanden wäre. Alle Empfindungen von Leiden, die einen unangenehmen, quälenden Aspekt haben, selbst das geringfügige Leiden, das noch im Kontinuum eines Feindzerstörers auftreten kann, entstehen aus früher angesammelten unheilsamen Handlungen – es gibt kein Leiden, das aus einer heilsamen Handlung entstanden wäre.

Im Kostbaren Kranz sagt [Nāgārjuna] (I, 21):

Aus unheilsamen [Taten] entstehen alles Leiden und ebenso alle schlechten Existenzen. Aus heilsamen [Taten] entstehen alle glücklichen Existenzen und jegliches Glück in allen Leben.

Glück und Leiden entstehen somit weder ohne Ursache noch aus nicht-übereinstimmenden Ursachen, etwa einer allgemeinen höchsten Natur52 [– wie sie die Sāṃkhyas annehmen –] oder einem herrschenden Gott,53 [an den die Aiśvaras glauben]. Vielmehr verhält es sich so, dass sowohl allgemeines Glück und Leiden aus allgemeinen heilsamen oder unheilsamen Taten als auch die vielfältigen Besonderheiten von Glück und Leiden aus vielfältigen, besonderen Arten von heilsamen und unheilsamen Taten entstehen. Hier gibt es eine klare, unfehlbare Unterscheidung [der Ursachen, aus denen Glück oder Leiden] entsteht. Die Gewissheit über diese unfehlbare, gesetzmäßige Verbindung von Taten und ihren Resultaten wird „die einwandfreie Ansicht aller Buddhisten“ genannt und als Grundlage aller glückverheißenden Phänomene gepriesen.

*Unterteilungen ‒ Die Empfindungen lassen sich in drei Arten unterteilen:

  1. Empfindungen von Glück,54

  2. Empfindungen von Leiden,55

  3. Empfindungen von Indifferenz.56

Entsprechend heißt es auch in [Vasubandhus Schrift] Über die Fünf Aggregate:

Was ist Empfindung? Sie ist das Erleben auf drei Arten: glücklich, leidhaft oder weder glücklich noch leidhaft. Eine glückliche Empfindung ist eine solche, mit der man weiter zusammen sein möchte, wenn sie zu Ende gegangen ist; eine leidhafte Empfindung ist eine solche, von der man getrennt sein möchte, wenn sie entstanden ist; eine weder glückliche noch leidhafte, [indifferente] Empfindung ist eine solche, die bei ihrem Entstehen weder mit dem Wunsch nach Zusammensein noch dem Wunsch nach Trennung einhergeht.

Man kann diese drei Arten von Empfindungen von ihrer körperlichen und geistigen Grundlage her weiter in sechs Arten unterteilen:

  1. drei körperliche Empfindungen:57 glückliche, leidhafte und indifferente körperliche Empfindungen,

  2. drei geistige Empfindungen:58 glückliche, leidhafte und indifferente geistige Empfindungen.

Der Unterschied zwischen körperlichen und geistigen Empfindungen ist folgender: Die Empfindungen, die in der Begleitung der fünf Sinnesbewusstseinsarten auftreten, werden „körperliche Empfindungen“ genannt; die Empfindungen, die in der Begleitung des Geistigen Bewusstseins auftreten, werden „geistige Empfindungen“ genannt. Nun mag man sich fragen, warum zum Beispiel eine Empfindung, die in Begleitung des Augenbewusstseins auftritt, als „körperliche“ Empfindung bezeichnet wird. In den Vierhundert Versen von Āryadeva heißt es:

So, wie die körperliche Sinneskraft den Körper [durchdringt], wohnt die Verblendung allen [leidenschaftsverbundenen Bewusstseinszuständen] inne.

Weil die Sinneskraft des Körpers [den gesamten] Körper vom Scheitel bis zur Sohle [und somit alle Sinneskräfte] durchdringt, werden [nicht nur die Empfindungen, die das Körperbewusstsein begleiten, sondern] auch alle Empfindungen, die in der Begleitung der vier anderen Arten von Sinnesbewusstsein entstehen, „körperliche Empfindungen“ genannt.

Diese sechs Empfindungen lassen sich jeweils weiter zweifach unterteilen, so dass sich insgesamt zwölf Arten ergeben:

  1. unausgeglichene Empfindungen,59

  2. ausgeglichene Empfindungen,60

Was bedeutet hier „unausgeglichen“ und „ausgeglichen“? Die Empfindungen, die in bewusstseinshafter Übereinstimmung mit dem Verlangen nach befleckten Aggregaten stehen, werden „unausgeglichene Empfindungen“ genannt; die Empfindungen, die in bewusstseinshafter Übereinstimmung mit einer Ursprünglichen Weisheit stehen, die die Selbstlosigkeit mit unmittelbarer Wahrnehmung erkennt, werden „ausgeglichene Empfindungen“ genannt. Nun mag man sich folgendes fragen: Innerhalb der oben genannten Einteilung gibt es zum Beispiel „ausgeglichene Empfindungen von Leiden“. Wie soll man sich vorstellen, dass bei denjenigen, die eine Ursprüngliche Weisheit besitzen, die die Selbstlosigkeit unmittelbar erkennt, leidvolle Empfindungen vorkommen? Die Antwort ist, dass es tatsächlich auch dann noch viele leidvolle Empfindungen gibt, [wenn man eine unmittelbare Erkenntnis der Selbstlosigkeit erreicht hat]; denn selbst bei Feindzerstörern, die die Vorstellung eines Selbst völlig aufgegeben haben, kommt es vor, dass sie leidhafte Empfindungen erleben, weil frühere [unheilsamer] Taten heranreifen. Das wird zum Beispiel in den Schriften über Disziplin (vinaya) gelehrt.

Wenn man die Empfindungen von ihrer Basis her unterteilt, gibt es sechs Arten:

  1. Empfindungen, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines sichtbaren Objekts, der Sinneskraft] des Auges [und des Augenbewusstseins entstehen],61

  2. Empfindungen, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Tones, der Sinneskraft] des Gehörs [und des Gehörbewusstseins entstehen],62

  3. Empfindungen, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Geruchs, der Sinneskraft] der Nase [und des Nasenbewusstseins entstehen],63

  4. Empfindungen, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Geschmacks, der Sinneskraft] der Zunge [und des Zungenbewusstseins entstehen],64

  5. Empfindungen, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Tastobjekts, der Sinneskraft] des Körpers [und des Körperbewusstseins entstehen],65

  6. Empfindungen, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Phänomens, der Sinneskraft] des Geistes [und des Geistigen Bewusstseins entstehen].66

Jede dieser sechs Arten der Empfindung kann wiederum in Empfindungen von Glück, Leiden oder Indifferenz aufgeteilt werden, so dass sich 18 Arten der Empfindung ergeben. Ich will hier nicht im einzelnen aufschreiben, welche diese sind, weil ich befürchte, zu sehr ins Detail zu gehen.

Man kann die Empfindungen auch vom Gesichtspunkt des Aufzugebenden und der Gegenmittel her in zwei Arten unterteilen:

  1. Empfindungen, die die Basis für Anhaftung bilden:67 solche Empfindungen, die mit dem Verlangen nach den Objekten des Sinnlichen Bereichs bewusstseinshaft übereinstimmen.

  2. Empfindungen, die die Basis für Erlösung bilden:68 solche Empfindungen, die mit einem Geistigen Bewusstsein übereinstimmen, das sich von der Begierde in Bezug auf die Objekte des Sinnlichen Bereichs abgewendet hat und zum Beispiel zur Ebene der Eigentlichen Ersten Sammlung69 gehört.

Diese Unterteilung der Empfindungen in zwei Arten ist gelehrt worden, um zu verdeutlichen, wie einerseits durch die Kraft der Empfindung Verlangen herbeigeführt wird und wie man sich andererseits durch [die Übung des Geistes in den] Eigentlichen Sammlungen von der Anhaftung an die Empfindungen befreit. Wer diese Zusammenhänge näher verstehen möchte, sollte dazu das Untere und Obere System des Höheren Wissens genau studieren. Die Art und Weise, wie man [Gegenmittel anwendet,] damit die angenehmen, unangenehmen und indifferenten Empfindungen nicht zur Ursache für die Drei Gifte [Begierde, Hass und Verblendung] werden, und andere [Themen der Geistesschulung, die in diesem Zusammenhang wichtig sind,] sollte man anhand der Unterweisungen zum Stufenweg zur Erleuchtung kennenlernen.

2. Unterscheidung

Wesen ‒ Was das Wesen der Unterscheidung angeht, so heißt es im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist das Wesensmerkmal der Unterscheidung? Ihr Wesensmerkmal ist, dass sie beim Zusammenkommen [von Objekt, Sinneskraft und Bewusstsein] dazu führt, dass [man sich der besonderen Merkmale des Objekts] bewusst wird. Als eine Entität des [nicht-begrifflichen] Erfassens [des Objekts] in [seinen] Merkmalen oder des [begrifflichen] Erfassens [des Objekts] in [seinen] Attributen gibt sie den Objekten, so, wie sie gesehen, gehört, differenziert oder dem Wissen zugeführt werden, eine Benennung.

Wie es hier gelehrt wird, ist die Unterscheidung eine Erkenntnis, die beim Zusammenkommen von Objekt, Sinneskraft und Bewusstsein die spezifischen Merkmale des Objekts erfasst. So heißt es auch in Vasubandhus Über die Fünf Aggregate:

Was ist die Unterscheidung? Sie ist das Erfassen des Objekts in seinen [besonderen] Merkmalen.

Unterteilungen ‒ Die Unterscheidung lässt sich in zwei Arten unterteilen:

  1. das Erfassen von Merkmalen:70 das Erfassen der spezifischen Merkmale eines Objekts, das einem nicht-begrifflichen Bewusstsein erscheint,

  2. das Erfassen von Attributen:71 das Erfassen der spezifischen Merkmale eines Objekts, das dem begrifflichen Denken erscheint.

Wie Asaṅga sagt, sind die Gegenstände, auf die sich diese beiden Arten der Unterscheidung beziehen, solche, die man „sieht, hört, differenziert oder weiß“.72 Dies bedeutet:

  1. Unterscheidung dessen, was man sieht: das Benennen von Objekten, die man [mit den Sinnen] unmittelbar wahrnimmt.

  2. Unterscheidung dessen, was man hört: das Benennen aufgrund von Worten, die man hört und denen man Vertrauen schenkt.

  3. Unterscheidung dessen, was man differenziert: das Benennen von Sachverhalten, die man aufgrund von logischen Anzeichen (Argumenten) feststellt.

  4. Unterscheidung dessen, was man weiß: das Benennen von Objekten, die man mit unmittelbarer [Geistiger] Wahrnehmung feststellt.

Im Schatzhaus des Höheren Wissens werden zwei Arten der Unterscheidung erklärt:

  1. das Erfassen der Sache in ihren Merkmalen:73 ein Erfassen, bei dem man die Unterscheidungsmerkmale der Sache selbst – wie gelb, blau und so weiter – voneinander unterscheidet,

  2. das Erfassen der Benennung in ihren Merkmalen:74 ein Erfassen, bei dem man die Unterscheidungsmerkmale der Benennung voneinander unterscheidet, etwa wenn man denkt „das ist ein Mann“ oder „das ist eine Frau“.

Außerdem kann man die Unterscheidung von der ihr zugrundeliegenden Sinneskraft her in sechs Arten unterteilen:

  1. Unterscheidung, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines sichtbaren Objekts, der Sinneskraft] des Auges [und des Augenbewusstseins entsteht],75

  2. Unterscheidung, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Tones, der Sinneskraft] des Gehörs [und des Gehörbewusstseins entsteht],76

  3. Unterscheidung, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Geruchs, der Sinneskraft] der Nase [und des Nasenbewusstseins entsteht],77

  4. Unterscheidung, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Geschmacks, der Sinneskraft] der Zunge [und des Zungenbewusstseins entsteht],78

  5. Unterscheidung, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Tastobjekts, der Sinneskraft] des Körpers [und des Körperbewusstseins entsteht],79

  6. Unterscheidung, die aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Phänomens, der Sinneskraft] des Geistes [und des Geistigen Bewusstseins entsteht].80

Eine weitere Unterteilung der Unterscheidung wird vom Gesichtspunkt des Beobachtungsobjekts her getroffen. Dabei gibt es sechs Arten:

  1. Authentische Unterscheidung,81 die sich wiederum in drei unterteilt: (a) Unterscheidung, die in der Verbindung von Namen und Inhalten bewandert ist, (b) Unterscheidung, die die Unbeständigkeit der Produkte und ähnliches beobachtet, und (c) Unterscheidung mit einer deutlichen Ausprägung des Beobachtungsobjekts.

  2. Nicht-authentische Unterscheidung,82 die sich in drei Arten unterteilt, welche das Gegenteil der zuvor genannten drei authentischen Unterscheidungen sind: [(a) Unterscheidung, die in der Verbindung von Namen und Inhalten nicht bewandert ist, (b) Unterscheidung, die eine fälschlich vorgestellte Beständigkeit der Produkte und ähnliches beobachtet, und (c) Unterscheidung mit einer undeutlichen Ausprägung des Beobachtungsobjekts.]

  3. Enge Unterscheidung:83 die Unterscheidungen im Kontinuum eines gewöhnlichen Wesens im Sinnlichen Bereich, das noch keine Eigentliche Sammlung erreicht hat, und die Unterscheidungen, die auf die Objekte der Sinnlichen Welt gerichtet sind.

  4. Weite Unterscheidung:84 die Unterscheidungen, die auf [Objekte im] Körperlichen Bereich gerichtet sind, und die Unterscheidungen im Kontinuum der Wesen im Körperlichen Bereich.

  5. Grenzenlose Unterscheidung:85 die Unterscheidungen, die auf Sinnesquellen [im Bereich] des Grenzenlosen Raums oder auf Sinnesquellen [im Bereich] des Grenzenlosen Bewusstseins [innerhalb des Körperlosen Bereiches] gerichtet sind.

  6. Unterscheidung im Absoluten Nichts:86 die Unterscheidungen, die auf [den Bereich] des Absoluten Nichts [innerhalb des Körperlosen Bereichs] gerichtet sind.

3. Wille

Wesen ‒ Zum Wesen des Willens heißt es im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist der Wille? Er ist das Gestaltende des Geistes, die Tat des Geistes: Seine Funktion ist, den Geist zu heilsamen, unheilsamen oder neutralen [Taten] zu aktivieren.

Wie Asaṅga hier lehrt, nennt man „Wille“ einen Geistesfaktor, der den Geist, mit dem er bewusstseinshaft verbunden ist, auf sein Objekt hin bewegt und zur Beschäftigung mit diesem Objekt veranlasst. Es wird gelehrt, dass der Wille von allen Geistesfaktoren der wichtigste ist; denn wenn der Geist oder irgendein anderer Geistesfaktor in Bezug auf das Objekt aktiv wird, so geschieht dies stets durch die Kraft dieses Geistesfaktors Wille. Ähnlich, wie ein Eisen unwillkürlich vom Magneten angezogen wird, veranlasst dieser Geistesfaktor Wille den Geist unwillkürlich zur Beschäftigung mit seinem Objekt.

Unterteilung ‒ Der Wille kann von seiner Basis, [der zugrundeliegenden Sinneskraft] her in sechs Arten unterteilt werden:

  1. Wille, der aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines sichtbaren Objekts, der Sinneskraft] des Auges [und des Augenbewusstseins entsteht],87

  2. Wille, der aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Tones, der Sinneskraft] des Gehörs [und des Gehörbewusstseins entsteht],88

  3. Wille, der aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Geruchs, der Sinneskraft] der Nase [und des Nasenbewusstseins entsteht],89

  4. Wille, der aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Geschmacks, der Sinneskraft] der Zunge [und des Zungenbewusstseins entsteht],90

  5. Wille, der aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Tastobjekts, der Sinneskraft] des Körpers [und des Körperbewusstseins entsteht],91

  6. Wille, der aus der Berührung beim Zusammenkommen [eines Phänomens, der Sinneskraft] des Geistes [und des Geistigen Bewusstseins entsteht].92

Der Wille ist die beabsichtigende Tat ‒ Der Wille ist die Tat des Geistes [– die beabsichtigende Tat]. Allgemein gibt es zwei Arten von Taten: die beabsichtigende Tat und die beabsichtigte Tat.93 So heißt es auch im Schatzhaus des Höheren Wissens:

Der Wille ist die geistige Tat. Was von dieser hervorgebracht wird, ist körperliche oder sprachliche Tat.

Innerhalb der beabsichtigten Taten gibt es zwei Arten: körperliche und sprachliche Taten. Von diesen gibt es allgemein unendlich viele; doch zu den wichtigsten zusammenfasst, werden sieben körperliche und sprachliche Taten94 und – wenn man deren Motivationen95 mitberücksichtigt – zehn Wege der Tat gelehrt. So heißt es auch im Schatzhaus:

Diese [unendlich vielen Taten] grob zusammenfassend, hat [der Buddha] die zehn Wege der Tat gelehrt, wobei diese sowohl heilsam als auch unheilsam sein können.

Nach einer anderen Einteilung der Taten gibt es drei: verdienstvolle Taten, nicht-verdienstvolle Taten und unbewegliche Taten. Es ist äußerst wichtig, genau zu verstehen, woran man diese [verschiedenen Arten der Tat] erkennt; wie deren Früchte zustande kommen; was der Unterschied zwischen hervorrufenden und vervollständigenden Taten ist; was der Unterschied ist zwischen solchen [Taten, deren Früchte] mit Sicherheit erlebt werden und solchen, [deren Früchte] nicht mit Sicherheit erlebt werden; was wiederum innerhalb der [Taten, deren Früchte] mit Sicherheit erlebt werden, der Unterschied ist zwischen den Taten, [deren Früchte] noch in diesem Leben erlebt werden, den Taten, [deren Früchte] im darauffolgenden Leben erlebt werden, und den Taten, [deren Früchte] in irgendeinem späteren als dem darauffolgenden Leben erlebt werden, und so weiter. Doch will ich dieses Thema aus Furcht, zu viel zu schreiben, hier nicht weiter ausführen. Diejenigen, die einen gewandten Verstand besitzen, sollten sich darüber Wissen aneignen, indem sie das vom erhabenen Gelehrten Vasubandhu verfasste Schatzhaus des Höheren Wissens mit den Kommentaren dazu sowie die makellosen Guten Lehren des allwissenden Dsche [Tsongkhapa] im Detail studieren.96

4. Berührung

Wesen ‒ Was das Wesen der Berührung angeht, heißt es im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist die Berührung? Beim Zusammenkommen der drei [Umstände – Objekt, Sinneskraft und Bewusstsein –] wird sie zur dominanten Kraft und nimmt [das Objekt als etwas Angenehmes, Unangenehmes oder Neutrales] ins Bewusstsein auf. Sie hat die Funktion, die Basis für die Empfindung zu bilden.

Wie hier gelehrt wird, ist die Unterscheidung eine Erkenntnis, die beim Zusammenkommen von Objekt, Sinneskraft und Bewusstsein das Objekt entsprechend der in der Folge erlebten Empfindung von Glück, Leiden oder Indifferenz ins Bewusstsein aufnimmt. Dass sie dabei „zur dominanten Kraft“ wird, wie Asaṅga sagt, bedeutet folgendes: Ähnlich wie zum Beispiel die dominante Sinneskraft des Auges beim Zusammentreffen mit einem attraktiven körperlichen Objekt zu einer Ursache für die Anhaftung an die [dabei entstehende] angenehme Empfindung wird, wird auch die Berührung dadurch, dass sie das körperliche Objekt als etwas Attraktives ins Bewusstsein aufnimmt, zur Ursache für die [dabei entstehende] angenehme Empfindung.

Unterteilung ‒ Auch die Berührung kann man vom Gesichtspunkt der ihr zugrundeliegenden Sinneskraft in sechs Arten unterteilen:

  1. Berührung beim Zusammenkommen [eines sichtbaren Objekts, der Sinneskraft] des Auges [und des Augenbewusstseins],97

  2. Berührung beim Zusammenkommen [eines Tones, der Sinneskraft] des Gehörs [und des Gehörbewusstseins],98

  3. Berührung beim Zusammenkommen [eines Geruchs, der Sinneskraft] der Nase [und des Nasenbewusstseins],99

  4. Berührung beim Zusammenkommen [eines Geschmacks, der Sinneskraft] der Zunge [und des Zungenbewusstseins],100

  5. Berührung beim Zusammenkommen [eines Tastobjekts, der Sinneskraft] des Körpers [und des Körperbewusstseins],101

  6. Berührung beim Zusammenkommen [eines Phänomens, der Sinneskraft] des Geistes [und des Geistigen Bewusstseins].102

5. Aufmerksamkeit

Wesen ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die Aufmerksamkeit? Sie ist das Eingehen des Geistes [auf sein bestimmtes Objekt]; ihre Funktion ist, dass sie den Geist bei seinem Beobachtungsobjekt hält.

Wie es hier gelehrt wird, ist die Aufmerksamkeit eine Erkenntnis, die den Geist, mit dem sie bewusstseinshaft verbunden ist, auf ein besonderes Beobachtungsobjekt lenkt.

Der Unterschied zwischen Wille und Aufmerksamkeit ist, dass durch den Willen der Geist allgemein auf ein Objekt hin bewegt wird, während die Aufmerksamkeit den Geist auf ein besonderes* *Objekt richtet.

Der Grund für die Bezeichnung „allgegenwärtige“ Geistesfaktoren ‒ Der Grund, warum diese fünf Geistesfaktoren Empfindung, Unterscheidung, Berührung, Wille und Aufmerksamkeit „allgegenwärtig“ genannt werden, ist, dass es sich um Geistesfaktoren handelt, die jeden Geist begleiten. Wenn irgendeiner der fünf Allgegenwärtigen Faktoren nicht vorhanden wäre, so wäre das Erfahren des Objekts nicht vollständig: Ohne Empfindung könnte man [das Objekt] nicht [als angenehm, unangenehm oder neutral] erleben. Ohne Unterscheidung könnte man nicht die spezifischen Wesensmerkmale des Objekts erfassen. Ohne Berührung gäbe es keine Basis für Empfindung. Ohne Willen könnte der Geist nicht auf ein Objekt gerichtet werden. Ohne Aufmerksamkeit könnte der Geist nicht auf ein besonderes Objekt gelenkt werden. Deshalb wird gelehrt, dass alle fünf Allgegenwärtigen Geistesfaktoren nötig sind, um ein Objekt zu erfahren.

Die fünf Objekt-feststellenden Geistesfaktoren

Die fünf Objekt-feststellenden Geistesfaktoren sind:

  1. Anstreben,103

  2. Wertschätzung,104

  3. Vergegenwärtigung,105

  4. Konzentration,106

  5. Weisheit.107

1. Anstreben

Wesen ‒ Über das Wesen des Anstrebens sagt Asaṅga im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist das Anstreben? Es ist der Wunsch, in Besitz dieses oder jenes gewünschten Phänomens zu sein; seine Funktion ist, als Basis für das Aufbringen von Tatkraft zu dienen.

Wie hier gelehrt wird, ist das Anstreben eine Erkenntnis, die ein beabsichtigtes Phänomen beobachtet und danach strebt.

Anstreben ist die Basis der Tatkraft ‒ Die Art und Weise, wie das Anstreben die Basis für Tatkraft bildet, ist folgende. In der Unterscheidung der Mitte und der Extreme beschreibt [Maitreya den kausalen Zusammenhang der Gegenmittel gegen die Trägheit] in folgender Weise:108

... die Grundlage und das, was auf dieser beruht, eine Ursache und eine Wirkung.

[Dsche Tsongkhapa] erklärt diesen Zusammenhang in der Großen Darlegung des Stufenwegs zur Erleuchtung:

Wenn man nicht in der Lage ist, die mangelnde Freude an der Übung von meditativer Konzentration und die Vorliebe für solche Dinge, die der Meditation im Wege stehen, abzuwenden, findet man von vornherein nicht die Möglichkeit, überhaupt mit der Übung der meditativen Konzentration zu beginnen. Und selbst wenn man es vielleicht einmal erreichen sollte, ist man nicht fähig, die Übung kontinuierlich fortzusetzen; daher wird sie schnell wieder degenerieren. Aus diesem Grunde ist es äußerst wichtig, zuerst die Trägheit zu überwinden. Wenn man eine Beweglichkeit erreichen kann, die von Freude und Glück in Körper und Geist genährt wird, so wird kein Widerwille entstehen, selbst wenn man Tag und Nacht Heilsames übt. Damit ist die Trägheit überwunden.

Um diese Beweglichkeit hervorzubringen, muss man in der Lage sein, eine stetige Tatkraft bei der [Übung von] Konzentration aufzubringen; denn diese Tatkraft ist die Ursache für Beweglichkeit. Um aber diese Tatkraft hervorzubringen, ist eine kontinuierliches, intensives Anstreben notwendig, das darin besteht, dass man meditative Konzentration erreichen möchte. Als Ursache dafür braucht man ein festes, begeistertes Vertrauen, das dadurch entsteht, dass man die Vorzüge der meditativen Konzentration erkennt. Deshalb sollte man zuerst immer wieder Vertrauen schulen, indem man sich die Vorzüge meditativer Konzentration bewusst macht.109

Wenn man die Reihenfolge dieser [Gegenmittel der Trägheit bei der Übung von meditativer Konzentration] betrachtet, nachdem man sie selbst angewendet hat, stellt sich eine klare Gewissheit von der Größe [dieser Anweisungen] ein, die dazu führt, dass man sie als eine edle, zentrale Lehre wertschätzt.

Um diese Vorgehensweise näher zu verdeutlichen, zitiert Dsche Tsongkhapa aus Maitreyas Schrift die oben genannte Passage: „... die Grundlage und das, was auf dieser beruht, eine Ursache und eine Wirkung“, und führt aus:

Die Bedeutung dieses Zitats ist folgende: Die „Grundlage“ ist das Anstreben; denn dieses ist die Grundlage für die Anstrengung. „Das, was auf dieser beruht,“ ist die Anstrengung, also die Tatkraft. Die „Ursache“ des Anstrebens ist das Vertrauen, das darin besteht, dass man von den Vorzügen [der Meditation] überzeugt ist. Schließlich ist die „Wirkung“ der Anstrengung die Beweglichkeit.110

Wenn man über diese Zusammenhänge genauer nachdenkt, [versteht man,] dass es sich hier um einen äußerst wichtigen, zentralen Punkt der Übung handelt, so wie es der allwissende Dsche [Tsongkhapa im oben genannten Zitat] deutlich gemacht hat. Über solche Zusammenhänge in Bezug auf die definitive Reihenfolge [der Übungen] auf dem Pfad, wie sie von den großen Wegbereitern gelehrt wurden, entsteht allerdings nur dann ein unumstößliches Verständnis, wenn man sie nicht nur als bloße Worte stehen lässt, sondern den Geist tatsächlich nach innen richtet und tiefer darüber nachdenkt. Diejenigen, die [diese Anweisungen] als bloße Worte missverstehen und die Schriften der großen Wegbereiter als bloße Rezitationstexte für Verstorbene oder als bloße Hilfsmittel für die Debatte ansehen und sie bei der eigentlichen Übung vernachlässigen, haben keine Möglichkeit, darüber ein tiefes Verständnis zu finden. Sie haben nicht einmal das Glück, über die guten Pfade, die den Sieger [Buddha] erfreuen, ein Verständnis zu erlangen; geschweige denn, dass diese Pfade selbst in ihrem Kontinuum entstehen könnten.

Unterteilung ‒ Das Anstreben lässt sich in drei Arten unterteilen:

  1. das Anstreben, das wünscht, [mit dem Objekt] zusammen zu sein,

  2. das Anstreben, das wünscht, nicht [von dem Objekt] getrennt zu sein,

  3. das Anstreben, das [nach dem Objekt] strebt.

Bei der letzten Art gibt es viele weitere Unterarten, etwa das Anstreben, das nach Sinnlichem strebt, das Anstreben, das einer Ansicht anhängt, und so weiter.

2. Wertschätzung

Wesen ‒ Über das Wesen der Wertschätzung sagt Asaṅga im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist die Wertschätzung? Sie besteht darin, dass man an [der Sichtweise] eines Gegenstands, über den man Gewissheit hat, in der Weise festhält, wie man ihn zuvor festgestellt hat. Was ihre Funktion angeht, so bewirkt sie, dass man sich nicht [von einer anderen Meinung] einnehmen lässt.

Die Wertschätzung ist eine Erkenntnis, die [an der Beurteilung] von Objekten, die man zuvor mit Gültiger Erkenntnis erkannt hat, weiterhin mit dem Gedanken festhält, dass sie genau so und nicht anders beschaffen sind.

Als Besonderheit der Funktion der Wertschätzung wird hier von Asaṅga gelehrt, dass sie darin besteht, sich nicht [von einer anderen Meinung] einnehmen zu lassen. Das bedeutet: Wenn man eine stabile Wertschätzung in Bezug auf einen Sachverhalt gefunden hat, den man selbst schon mit Gültiger Erkenntnis festgestellt hat, ist es nicht möglich, dass man von Vertretern anderer Ansichten davon wieder abgebracht wird. Im Zusammenhang mit der Zufluchtnahme zum Beispiel denkt man über die Besonderheiten des eigenen Lehrers [Buddha] und die Eigenschaften anderen Lehrer nach und analysiert diese in Bezug darauf, wer eine untrügerische Zuflucht ist. Dabei entwickelt man die Gewissheit, dass allein der Lehrer Buddha eine untrügerische Zuflucht ist, und ebenso kann man mit Gültiger Erkenntnis feststellen, dass auch die Lehre, die von ihm gelehrt wurde, sowie die Geistige Gemeinschaft derer, die diese Lehre einwandfrei ausüben, untrügerische Zufluchtsobjekte sind. Wenn man dadurch eine stabile Wertschätzung findet, die [die Drei Juwelen] als endgültige Zufluchten ansieht, kann man von Anhängern nicht-buddhistischer Lehren und anderen nicht mehr von dieser Position abgebracht werden. Dann ist man tatsächlich in die Reihe der Buddhisten eingetreten, und auf dieser Grundlage können alle positiven Eigenschaften anwachsen, [die mit Hilfe der Lehre des Buddha entwickelt werden können]. Gleiches sagt auch [Śāntideva] in der Anleitung auf dem Weg zum Erwachen (VII, 40):

Der Überwinder hat gelehrt, dass Wertschätzung die Wurzel alles Heilsamen ist. Die Wurzel der Wertschätzung wiederum ist die ständige Meditation über die Früchte, die [aus heilsamen Taten] reifen.

3. Vergegenwärtigung

Wesen ‒ Zum Wesen der Vergegenwärtigung sagt Asaṅga im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist die Vergegenwärtigung? Sie besteht darin, dass der Geist einen vertrauten Gegenstand nicht vergisst. Ihre Funktion ist, dass sie der Ablenkung entgegenwirkt.

Vergegenwärtigung ist eine Erkenntnis, die von drei Besonderheiten gekennzeichnet ist:

  1. Die Besonderheit bezüglich des Objekts ist, dass es sich um einen vertrauten Gegenstand handelt.

  2. Die Besonderheit bezüglich der Ausprägung ist das Nicht-Vergessen bei der Beobachtung dieses Objekts.

  3. Die Besonderheit bezüglich der Funktionsweise ist, dass sie der Ablenkung entgegenwirkt.

Weil keine Vergegenwärtigung von Objekten entstehen kann, die von früher her nicht vertraut sind, lehrt [Asaṅga] als Besonderheit bezüglich des Objekts, dass es sich um einen „vertrauten Gegenstand“ handelt. Aber selbst wenn ein Objekt von früher her vertraut ist, stellt sich keine Vergegenwärtigung ein, falls dieses nicht gegenwärtig dem Gewahrsein als Objekt erscheint. Deshalb wird gesagt, dass die Vergegenwärtigung das „Nicht-Vergessen des Geistes“ ist. Und weil die Stabilität des Geistes aufgrund einer guten Vergegenwärtigung anwächst, wird als Besonderheit der Funktion der Vergegenwärtigung gelehrt, dass sie „der Ablenkung entgegenwirkt.“

Bedeutung der Vergegenwärtigung für die Dharma-Übung ‒ Vergegenwärtigung, die diese drei Besonderheiten besitzt, ist bei [der Ausübung von] Sūtra und Tantra äußerst wichtig. So sagt der Beschützer Nāgārjuna [in seinem Freundschaftlichen Brief]:111

O Herr, die Vergegenwärtigung des Körpers ist vom Glückselig-Gegangenen deutlich als der gemeinsame Pfad, den alle gehen müssen,112 gelehrt worden. Strenge dich daher an, sie zu bewahren! Durch den Verfall der Vergegenwärtigung geht jede Form von Dharma zugrunde.

Und in der Anleitung auf dem Weg zum Erwachen sagt [Śāntideva] (V, 26-30):

Viele sind gebildet, gläubig und strengen sich tatkräftig an; doch weil sie der Fehler mangelnder Selbstprüfung befallen hat, beschmutzen sie sich mit Verfehlungen.

Die Diebe in Gestalt der fehlenden Selbstprüfung folgen dem Nachlassen der Vergegenwärtigung. Und selbst die, die eifrig Verdienste gesammelt haben, gehen, während sie so ausgeraubt werden, einem elenden Schicksal entgegen.

Diese Räuberbande, die Leidenschaften, sucht nur eine günstige Gelegenheit. Hat sie eine Gelegenheit gefunden, raubt sie das Heilsame und vernichtet ebenso das Leben in einem glücklichen Dasein.

Deshalb darf man die Vergegenwärtigung niemals von der Tür des Geistes fortlassen. Und wenn sie doch fortgegangen ist, soll man sich die Leiden des elenden Daseins bewusst machen und sie wieder fest aufstellen.

Bei Glücklichen, die [den Schulungen] Respekt entgegenbringen, entsteht die Vergegenwärtigung leicht, indem sie sich in die Begleitung des Guru begeben, durch die Anweisungen der Meister und durch Furcht.

Wie es hier zum Ausdruck gebracht wird, hängt die Zunahme aller guten Eigenschaften auf den geistigen Ebenen und Pfaden von den beiden Faktoren Vergegenwärtigung und Selbstprüfung ab, und jede Verwirklichung von meditativer Konzentration in Sūtra und Tantra muss durch die Kraft dieser besonderen Vergegenwärtigung erreicht werden. Deshalb ist es für die, die von Herzen wünschen zu praktizieren, äußerst wichtig, sich gerade der Übung von Vergegenwärtigung zu widmen. In der Anleitung auf dem Weg zum Erwachen heißt es entsprechend (V, 22-23):

Es ist leicht hinzunehmen, wenn ich Besitz, Ehrungen, Körper und Lebensunterhalt verliere. Es ist auch leicht hinzunehmen, wenn andere heilsame Taten nachlassen; doch die Verschlechterung meines Geistes will ich niemals dulden!

Die ihren Geist behüten möchten, [bitte] ich mit gefalteten Händen: „Bewahrt Vergegenwärtigung und Selbstprüfung selbst um den Preis des Lebens!“

4. Konzentration

Wesen ‒ Zum Wesen der Konzentration sagt Asaṅga im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist die Konzentration? Sie ist die Punktförmigkeit des Geistes bezüglich eines vorgestellten Gegenstandes. Ihre Funktion ist, dass sie die Grundlage für Wissen bildet.

Entsprechend dieser Darstellung ist die Konzentration die Punktförmigkeit des Geistes, die bei der Beobachtung eines vorgestellten Gegenstandes [den Geist] kontinuierlich darauf richtet.

Hier wird gelehrt, dass eine Besonderheit des Objekts der Konzentration darin besteht, dass es sich um einen „vorgestellten Gegenstand“ handelt. Das bedeutet, dass bei der meditativen Übung von Konzentration der Geist bei einem Beobachtungsobjekt gehalten werden muss, das man mit dem Denken vorgestellt hat. Deshalb spricht [Asaṅga] von einem „vorgestellten Gegenstand“.

Unterteilung ‒ Es gibt viele Unterteilungen, was die Beobachtungsobjekte der Konzentration angeht; zusammenfassend jedoch [kann man] vier Meditationsobjekte nennen [, die in den Schriften] gelehrt werden:

  1. Beobachtungsobjekte, die zur Läuterung des Verhaltens dienen,113

  2. Beobachtungsobjekte, die zur Läuterung von Leidenschaften dienen,114

  3. Beobachtungsobjekte im gesamten Umfang des Bereichs der Wirklichkeit,115

  4. Beobachtungsobjekte der Gelehrsamkeit.116

In Bezug auf die die Beobachtungsobjekte der Gelehrsamkeit gibt es weitere Unterteilungen in die Beobachtung der Aggregate, die Beobachtung der Sinnesquellen, die Beobachtung des Abhängigen Entstehens und so weiter. So werden unendlich viele [Meditationsobjekte bei der Entwicklung von Konzentration] gelehrt.

Meditationsobjekte sind im Geist vorgestellte Objekte ‒ Diese Beschreibungen zeigen deutlich die Wesensart von einigen, die heutzutage das korrekte Verständnis der Terminologie, wie sie in den Heiligen Reden des Siegers benutzt wird, verlassen haben und eine [äußerlich] auffällige, überspannte Meditation betreiben, bei der sie sich auf äußere sichtbare Körper, die dem Augenbewusstsein erscheinen, richten. Konzentration entsteht aber nicht im Sinnesbewusstsein; sie entsteht ausschließlich im Geistigen Bewusstsein. Die Beobachtungsobjekte der Konzentration sind auch nicht-körperliche Objekte, die vom Sinnesbewusstsein wahrgenommen werden, sondern ausschließlich vom Gewahrsein vorgestellte Objekte des Geistigen Bewusstseins. Dies ist vom Heiligen Asaṅga sehr deutlich gelehrt worden.117

Man mag sich fragen, ob die Objekte der meditativen Konzentration unbedingt reale Objekte sein müssen. Das ist nicht der Fall. Man kann die Aufmerksamkeit auf irgendein Objekt richten, sei es ein echtes oder ein unechtes; und wenn man sich immer wieder damit vertraut macht, kann sich schließlich sogar eine klare Erscheinung dieses Objektes, frei von Begrifflichkeit, ergeben. So sagt auch [Dharmakīrti] im Kommentar zur Gültigen Erkenntnis:

Wenn daher irgendein [Objekt], sei es echt oder unecht, sehr vertraut geworden ist und diese Vertrautheit vollkommen ist, hat dies zur Folge, dass jenes [Objekt] klar einem nicht-begrifflichen Gewahrsein [erscheint].

Konzentration ist die Grundlage der Einsicht ‒ Als Besonderheit der Funktion der Konzentration lehrt [Asaṅga,] dass sie „die Grundlage für Wissen bildet“. Das bedeutet folgendes: Auf der Grundlage der Geistigen Ruhe, die darin besteht, dass der Geist in einen meditativen inneren Gleichgewichtszustand versetzt wurde, führt man mit der analytischen Weisheit Untersuchungen durch, durch deren Kraft die Besondere Einsicht verwirklicht wird, die sowohl auf die [konventionelle] Vielfalt der Phänomene also auch auf ihre [endgültige] Beschaffenheit gerichtet ist. Entsprechend heißt es in der *Anleitung auf dem Weg zum Erwachen (VIII, 4):

Wissend, dass durch die Besondere Einsicht, die fest mit Geistiger Ruhe verbunden ist, die Leidenschaften völlig zerstört werden, suche man zuerst Geistige Ruhe. Diese wiederum wird durch die freudige Anstrengung erreicht, die frei ist von dem Begehren der Welt.

Ebenso wird auch in den Schriften über Disziplin118 wiederholt gelehrt, wie auf der Grundlage der Schulung der Ethik die Schulung der meditativen Konzentration und auf der Grundlage der Schulung von meditativer Konzentration die Schulung der Weisheit entsteht. Deshalb sollten diejenigen, die von Herzen die Befreiung wünschen, die großen Schriften als die hervorragendsten Anweisungen zur Übung betrachten.

5. Weisheit

Wesen ‒ Zum Wesen der Weisheit heißt es im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist die Weisheit? Sie ist das genaue Differenzieren der Phänomene, die Gegenstände der Untersuchung sind. Ihre Funktion ist es, Unentschiedenheit abzuwenden.

Wie hier erklärt wird, ist die Weisheit eine Erkenntnis, die [von dem Gesichtspunkt bestimmt wird, dass sie] Gegenstände, die zu untersuchen sind, in Bezug auf ihre Fehler und Vorzüge im einzelnen unterscheidet und beurteilt. Die Objekte, die mit Hilfe der Weisheit untersucht werden, sind drei: das Heilsame, das Unheilsame und das karmisch Neutrale. Deren Fehler und Vorzüge werden differenziert.

Die vier Arten der Logik ‒ Es gibt vier Arten der Logik, um Fehler und Vorzüge im einzelnen zu differenzieren und zu beurteilen:

  1. die Logik, die die Funktionsweise [von Phänomenen] berücksichtigt,119

  2. die Logik, die die Abhängigkeit berücksichtigt,120

  3. die Logik, die das Erwiesensein [eines Sachverhalts] aufgrund der** logischen Gültigkeit** berücksichtigt,121

  4. die Logik, die die** natürliche Beschaffenheit** [eines Phänomens] berücksichtigt.122

Wenn man eine unumstößliche Erkenntnis [über ein Objekt der Untersuchung] findet, nachdem man es mit Hilfe dieser vier Arten der Logik analysiert hat, wird Zweifel abgewendet.123 Deshalb lehrt [Asaṅga] als Besonderheit der Weisheit im Hinblick auf ihre Funktion, dass sie „Unentschiedenheit abwendet“. In diesem Sinne sagt der allwissende Dsche [Tsongkhapa]:124

Möge ich die Bedeutung dessen, was ich durch das Lernen aufgenommen habe, Tag und Nacht mit Hilfe der vier Arten der Logik untersuchen, und möge ich mit der Weisheit, die aus dem Nachdenken über die zu untersuchenden Sachverhalte entsteht, alle Unklarheiten und Zweifel in meinem Geist beseitigen.

Der Grund für die Bezeichnung „Objekt-feststellende“ Geistesfaktoren ‒ Der Grund, warum diese fünf Geistesfaktoren Anstreben, Wertschätzung, Vergegenwärtigung, Konzentration und Weisheit „Objekt-feststellend“ genannt werden besteht darin, dass diese Geistesfaktoren das Objekt erfassen, indem sie dessen spezifische Besonderheiten wahrnehmen. Deshalb werden sie als Geistesfaktoren bezeichnet, die „das Objekt in seinen Einzelheiten feststellen“.

Die elf Heilsamen Geistesfaktoren

Die elf Heilsamen Faktoren sind:

  1. Vertrauen,125

  2. Selbstachtung,126

  3. Rücksichtnahme,127

  4. Begierdelosigkeit,128

  5. Hasslosigkeit129,

  6. Verblendungslosigkeit,130

  7. Tatkraft,131

  8. Beweglichkeit,132

  9. Achtsamkeit,133

  10. Gleichmut,134

  11. Gewaltlosigkeit.135

1. Vertrauen

Wesen ‒ Zum Wesen des Vertrauens heißt es im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist Vertrauen? Es ist die Überzeugung, die Reinheit oder der Wunsch [nach Verwirklichung] in Bezug auf die Existenz [der vom Buddha gelehrten Wahrheiten], in Bezug auf den Besitz von Vorzügen und in Bezug auf Fähigkeiten. Es hat die Funktion, als Basis für Anstreben zu dienen.

Wie hier gelehrt wird, ist Vertrauen eine Erkenntnis, die [von dem Aspekt bestimmt wird, dass sie] die Ausprägung der Überzeugung, der Reinheit oder des Wunsches besitzt und als direktes Gegenmittel gegen mangelndes Vertrauen wirkt.

Drei Arten des Vertrauens ‒ Es gibt drei Arten des Vertrauens:

  1. das läuternde Vertrauen,136

  2. das überzeugte Vertrauen,137

  3. das nach Verwirklichung strebende Vertrauen.138

1. Läuterndes Vertrauen ‒ Dies ist die Reinheit des Geistes, die dadurch entsteht, dass man die Vorzüge eines Objektes sieht, das tatsächlich Vorzüge besitzt, zum Beispiel die Vorzüge der Drei Juwelen. Dass dieses Vertrauen „läuternd“ genannt wird, hat folgende Bedeutung: Wenn man zum Beispiel einen Edelstein, der Wasser reinigen kann, in verschmutztes Wasser gibt, wird im selben Moment das Wasser von dem Schmutz gereinigt. In gleicher Weise wird der Geist von Verschmutzungen gereinigt, wenn das läuternde Vertrauten im Bewusstseinskontinuum entsteht. Dadurch wird das Bewusstseinskontinuum so verändert, dass darin alle Vorzüge der Erkenntnis entstehen können.

2. Überzeugtes Vertrauen ‒ Dies ist die aus dem Nachdenken erlangte Überzeugung zum Beispiel von der Gesetzmäßigkeit des Abhängigen Entstehens, des Zusammenhangs von Tat und Wirkung und anderer Lehren des Siegers.

3. Nach Verwirklichung strebendes Vertrauen ‒ Diese Art des Vertrauens kann zum Beispiel in Bezug auf die Vier Wahrheiten entstehen. Zunächst denkt man über die Vier Wahrheiten nach und erlangt dabei die Gewissheit, dass die beiden Wahrheiten der Leiden und der Ursprünge aufgegeben und die beiden Wahrheiten der Beendigungen und der Pfade erreicht werden müssen. Dann macht man sich bewusst, dass man das Potential hat, dieses Ziel zu erreichen; daraufhin entwickelt sich schließlich der Entschluss, dass man es unbedingt erreichen will, dieses Ziel zu verwirklichen.

Diese Darstellung soll nur dazu dienen, einige Beispiele der drei Arten des Vertrauens verständlich zu machen; es handelt sich nicht um eine erschöpfende [Definition], mit der alle [möglichen Formen von Vertrauen] erfasst wären.

Unterschied zwischen Mögen und Vertrauen ‒ In der Welt werden die Worte „Vertrauen“ und „Mögen“139 oft so gebraucht, als bezeichneten sie dasselbe. [Zum Beispiel] wird [in der tibetischen Sprache] das Mögen von Bier als „Vertrauen zum Bier“ bezeichnet. Tatsächlich aber sind Mögen und Vertrauen nicht das gleiche; denn Vertrauen ist ein Geistesfaktor, der in seinem Wesen heilsam ist, während Mögen heilsam oder unheilsam sein kann. Wenn man das Verhältnis zwischen diesen beiden Bewusstseinszuständen genauer beschreibt, kann man vier Möglichkeiten voneinander unterscheiden:

  1. Mögen, aber nicht Vertrauen, ist zum Beispiel die Zuneigung zu den eigenen Kindern oder der Ehefrau oder das Mögen von Objekten moralischer Verfehlungen wie Alkohol oder abendliches Essen [bei Ordinierten].

  2. Vertrauen, aber nicht Mögen, ist zum Beispiel das Vertrauen, das in der tiefen Überzeugung und Furcht bezüglich der Nachteile der leidhaften Natur des Daseinskreislaufes besteht.

  3. Beides, sowohl Mögen als auch Vertrauen, ist zum Beispiel das Vertrauen in Form der tiefen Überzeugung und der Freude, die entstehen, wenn man über die guten Eigenschaften des Geistigen Lehrers oder den Nutzen von positiven Taten und deren Wirkungen nachdenkt.

  4. Weder das eine noch das andere sind zum Beispiel Wut, Leiden und ähnliches.

Unterschied zwischen Mögen und Respekt ‒ In diesem Zusammenhang mag man sich fragen, ob Mögen und Respekt140 identisch sind oder nicht. Diese Faktoren werden in der Welt gewiss oft so behandelt, als bedeuteten sie das gleiche; in Wirklichkeit sind sie aber nicht gleich. Denn das Mögen des Geistigen Lehrers [aufgrund seiner guten Eigenschaften] ist ein Zustand des Vertrauens; der Respekt gegenüber dem Geistigen Lehrer ergibt sich jedoch daraus, dass man darüber nachdenkt, welche große Hilfe man von ihm erfährt, und dadurch ein Gefühl der Ehrfurcht und der Hochachtung entwickelt. Somit sind Vertrauen und Respekt bei ihrer Entstehung im Bewusstseinskontinuum unterschiedliche Geistesfaktoren.

Die tatsächliche Beschaffenheit dieser Faktoren [wie Mögen, Respekt, Vertrauen und so weiter] wird man allerdings nur dann verstehen, wenn man sie einerseits entsprechend den Erklärungen der großen Schriften mit analytischer Intelligenz sorgfältig untersucht und andererseits das Gewahrsein nach innen auf sich selbst lenkt und genau erforscht, wie sie im Bewusstseinskontinuum entstehen. Aufgrund bloßer Worte allein kann man sie nicht erkennen.

Im Gedanken an diese Sachverhalte hat der allwissende Dsche [Tsongkhapa] wiederholt ermahnt, dass es zur ernsthaften Ausübung [des Dharma] nötig ist, sich mit Unterstützung eines erfahrenen Geistigen Lehrers umfangreiche Kenntnisse über die Inhalte der Heiligen Reden [des Buddha und der großen Meister Indiens] anzueignen. Dagegen gibt es heutzutage törichte Leute, die arm an dem Edelstein des Verstandes und gering an Verdiensten sind, die zurückschrecken und sich fürchten, wenn die Ratschläge dieser großen Schriften erklärt werden – ähnlich wie eine Giftschlange, wenn sie Moschus riecht, oder wie kleine Kinder, wenn sie heftige Wasserstrudel sehen. Gerade vor diesen Ratschlägen der großen Schriften flüchten sie in die Ferne. Doch diejenigen, die die Lehren der großen Gelehrten und Siddhas des Landes der Heiligen [Indien] als den eigentlichen Boden aller Anweisungen betrachten, strahlen [so selten] wie ein Stern am Tageshimmel.

Vertrauen ist die Grundlage aller positiven Eigenschaften auf dem spirituellen Pfad ‒ [Asaṅga] lehrt hier über die Funktion des Vertrauens, dass es die Basis des Anstrebens bildet. Das bedeutet folgendes: Wie schon zuvor [bei der Beschreibung des Geistesfaktors Anstreben] ausgeführt wurde, ist die Wurzel aller guten Eigenschaften die Tatkraft, und zum Entstehen der Tatkraft ist das Anstreben nötig, das diese guten Eigenschaften erreichen möchte. Damit ein solches Anstreben entsteht, ist aber Vertrauen nötig, das die Vorzüge der guten Eigenschaften sieht und von ihnen überzeugt ist. Deshalb wird in den Heiligen Reden und den Kommentaren das Vertrauen immer wieder als Grundlage aller Vortrefflichkeiten gepriesen. So heißt es beispielsweise im Ratnolkanāmadhāraṇī-Sūtra:141

Vertrauen ist als Vorbedingung zu entfalten. Es ist wie eine Mutter, denn es behütet alle guten Eigenschaften und lässt sie wachsen. Es beseitigt die Zweifel und befreit von den [vier] Strömungen.142 Vertrauen ist der Wegweiser zur Stadt des [vorläufigen] Glücks und des [endgültig] Guten.143

Vertrauen ist frei von Verschmutzungen, und es läutert den Geist. Es verwirft den Stolz und ist die Wurzel des Respekts. Vertrauen ist der höchste Reichtum, der größte Schatz und das beste Bein. Gleich der Hand ist es das grundlegende Mittel zum Sammeln von heilsamen Taten.

Und in dem Sūtra der Zehn Dharmas144 heißt es:

Vertrauen ist es, was [den Menschen] führt, das höchste Fahrzeug zur Erlösung; die klugen Menschen verlassen sich deshalb darauf, dem Vertrauen zu folgen.

So wie aus einem vom Feuer verbrannten Samen kein frischer Keim wachsen kann, können in den Menschen ohne Vertrauen die positiven Eigenschaften nicht entstehen.

So wird gelehrt, dass alle positiven Eigenschaften auf das Vertrauen folgen. Ebenso lehrt Śāntideva im Kompendium der Schulungen,145 dass Vertrauen die Wurzel aller Pfade ist:

… nachdem die Wurzel, das Vertrauen, gefestigt worden ist …

Und auch das große Wesen, der Beschützer Nāgārjuna, hat mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen, dass Vertrauen die Grundlage aller Pfade ist. Im Gedanken daran hat der allwissende Dsche [Tsongkhapa] in der Einteilung seiner Darlegung des Stufenwegs zur Erleuchtung einem Kapitel den Titel gegeben: „Die Übung von Vertrauen, welches die Wurzel ist.“ Und an anderer Stelle sagt er:

Die Wurzel allen Glücks und alles Guten ist das überzeugte Vertrauen.

2.-3. Selbstachtung und Rücksichtnahme

Selbstachtung ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Selbstachtung? Sie ist die Zurückhaltung vor dem Unmoralischen aus Gründen der eigenen Person. Sie hat die Funktion, die Basis für eine gute Beherrschung gegenüber Verfehlungen zu bilden.

Wie hier gelehrt wird, ist Selbstachtung die Zurückhaltung gegenüber dem, was unmoralisch ist, wobei diese Zurückhaltung mit der eigenen Person begründet wird.

Rücksichtnahme ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Rücksichtnahme? Sie ist die Zurückhaltung vor dem Unmoralischen aus Gründen anderer [Personen]. Sie hat dieselbe Funktion [wie Selbstachtung, nämlich die Basis für eine gute Beherrschung gegenüber Verfehlungen zu bilden].

Entsprechend ist Rücksichtnahme die Zurückhaltung gegenüber Verfehlungen, die mit anderen [Personen] begründet wird.

Unterschied zwischen Selbstachtung und Rücksichtnahme ‒ Der Unterschied zwischen Selbstachtung und Rücksichtnahme ist folgender: Obwohl beide Faktoren sich insofern gleichen, als sie in einer Zurückhaltung vor Verfehlungen bestehen, wenn man gerade im Begriff ist, eine Verfehlung zu beginnen, gibt es einen Unterschied: Im Falle der Selbstachtung entsteht diese Zurückhaltung aus dem Gedanken, dass dieses Verhalten kein Teil des eigenen Handelns ist, während Rücksichtnahme eine Zurückhaltung ist, für die man andere Personen als Grund nimmt, indem man dann, wenn man im Begriff ist, eine Verfehlung zu beginnen, denkt, dass die Handlung nicht angemessen ist, weil man von anderen dafür getadelt würde. Die Objekte, auf denen diese Form der Zurückhaltung gründet, sind hauptsächlich der Lama, der Lehrer Buddha und andere, die dazu beitragen, dass man von einer Handlung Abstand nimmt, weil man befürchtet, bei ihnen Missfallen und Besorgnis auszulösen.

Ohne Selbstachtung und Rücksichtnahme gibt es keine Zügelung unheilsamen Verhaltens ‒ Zur Funktion dieser beiden Faktoren lehrt Asaṅga, dass sie die Basis für Beherrschung gegenüber Verfehlungen bilden. Das bedeutet, dass man zur Eindämmung von körperlichen, sprachlichen oder geistigen Verfehlungen unbedingt diese beiden Faktoren Selbstachtung und Rücksichtnahme benötigt. Andernfalls, wenn weder Selbstachtung noch Rücksichtnahme vorhanden sind, ist man nicht in der Lage, sich gegenüber irgendeiner Verfehlung zu zügeln. Denn wenn man weder von der Seite der eigenen Person her Hemmungen hat, indem man die karmischen Auswirkungen [einer negativen Handlung] fürchtet, noch Befürchtungen hat, bei anderen wie dem Lama oder dem Lehrer Buddha Missfallen zu erregen, gibt es kein Mittel mehr, eine Verfehlung zu unterbinden.

4.-6. Die drei Wurzeln des Heilsamen: Begierdelosigkeit, Hasslosigkeit und Verblendungslosigkeit

Begierdelosigkeit ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Begierdelosigkeit? Sie ist das Nicht-Begehren des Daseinskreislaufs und der Güter des Daseinskreislaufs. Sie hat die Funktion, die Basis dafür zu bilden, dass man nicht in Verfehlungen eintritt.

Wie es hier gelehrt wird, ist Begierdelosigkeit eine Erkenntnis, die [von dem Aspekt her bestimmt wird, dass sie den Phänomenen des Daseinskreislaufs] entsagt und ohne Begehren ist.

Hasslosigkeit ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Hasslosigkeit? Sie ist die nicht-feindselige Geisteshaltung gegenüber fühlenden Wesen, Leiden und den Phänomenen, die Grundlagen für Leiden bilden. Sie hat die Funktion, die Basis dafür zu bilden, dass man nicht in Verfehlungen eintritt.

Entsprechend dieser Erklärung ist Hasslosigkeit eine Erkenntnis, die [von dem Aspekt bestimmt wird, dass sie] bei der Beobachtung irgendeines der drei Objekte, die zum Aufkeimen von Hass beitragen [– schädigende fühlende Wesen, Leiden oder solche Phänomene, die Leiden auslösen –], die Entstehung von Hass überwindet und ohne feindselige Gesinnung ist.

Verblendungslosigkeit ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Verblendungslosigkeit? Sie ist die differenzierende Analyse [eines Objektes] und das Wissen, das als karmische Frucht, aus den Schriften, aus dem Nachdenken oder aus der Erkenntnis entsteht. Sie hat die Funktion, die Basis dafür zu bilden, dass man nicht in Verfehlungen eintritt.

Demnach ist Verblendungslosigkeit eine analytische Weisheit, die aus angeborenen oder angelernten Ursachen entstanden ist und die Kraft besitzt, als Gegenmittel der Verblendung zu wirken.

Entstehung von Wissen ‒ Die Verblendungslosigkeit, von der hier gesprochen wird, ist analytische Weisheit. Von dieser gibt es sowohl angeborene als auch angelernte Formen. Angeborene Weisheit ist eine solche, die als gereifte Frucht früherer Taten entsteht, unabhängig von den Umständen in diesem Leben. Deshalb spricht [Asaṅga] von dem „Wissen, das als karmische Frucht entsteht“. Bei der angelernten Weisheit gibt es drei Arten: aus dem Lernen, aus dem Nachdenken und aus der Meditation entstandene. [Diese drei Arten meint Asaṅga mit dem „Wissen, das aus den Schriften, aus dem Nachdenken oder der Erkenntnis entsteht“.]

Gegenstände des Lernens: die Inhalte der Drei Schriftabteilungen ‒ Die Gegenstände, über die man mit der aus dem Lernen entstehenden Weisheit etwas lernen muss, sind die Heiligen Reden des Siegers und die Kommentare dazu. Diese kann man in die Drei Schriftabteilungen einordnen:

  1. die Schriftabteilung der Disziplin,146

  2. die Schriftabteilung der Lehrreden,147

  3. die Schriftabteilung des Höheren Wissens.148

Der Inhalt der Drei Schriftabteilungen sind hauptsächlich die Drei Schulungen:149

  1. Der hauptsächliche Inhalt der Schriftabteilung der Disziplin ist die Schulung der Ethik;150

  2. der hauptsächliche Inhalt der Schriftabteilung der Lehrreden ist die Schulung der meditativen Konzentration;151

  3. der hauptsächliche Inhalt der Schriftabteilung des Höheren Wissens ist die Schulung der Weisheit.152

Diese Zuordnung ist oft gelehrt worden. Nun wird aber von Asaṅga im Kompendium des Höheren Wissens gesagt, dass die Schriftabteilung der Lehrreden die Drei Schulungen zu gleichen Anteilen lehrt; dass die Schriftabteilung der Disziplin die Schulungen der Ethik und der meditativen Konzentration lehrt; und dass die Schriftabteilung des Höheren Wissens die Schulung der Weisheit lehrt. Der Gedanke, der dieser Aufteilung zugrunde liegt, ist folgender: Wenn man die Regeln der Disziplin einhält, indem man Vergegenwärtigung und Selbstprüfung korrekt anwendet, kann man gerade dadurch Sinken und Erregung unterbinden. Somit ist diese [Einhaltung von ethischer Disziplin mit Hilfe von Vergegenwärtigung und Selbstprüfung] ein unübertreffliches Mittel, um Konzentration zu stärken. Heutzutage ist ein Verständnis der in dieser Weise angeordneten Stufen auf dem Pfad äußerst selten.

[Zuerst] bemüht man sich darum, umfassend etwas über die Gegenstände des Lernens zu lernen, das heißt über die Drei Schriftabteilungen einschließlich der Kommentare zu ihrer Intention. Die Inhalte des Gelernten analysiert man immer wieder mit Hilfe der vier Arten der Logik und entwickelt dadurch eine mit Gewissheit verbundene Erkenntnis. In Bezug auf diese Inhalte, über die man eine aus dem Nachdenken entstandene, mit Gewissheit verbundene Erkenntnis gefunden hat, übt man analytische und konzentrative Meditation. So ist die umfassende Übung des gesamten Pfades nach der Vorstellung der großen Wegbereiter [des Buddhismus in Indien] beschaffen. Deshalb ist es richtig, wenn die Verständigen in dieser Weise in den Pfad eintreten, der den Sieger erfreut. Gibt man dagegen das umfassende Lernen auf, das die edle Ursache für die unterscheidende Weisheit ist, und folgt wie ein Schaf törichten Narren und Verblendeten, wobei man angeberisch so tut, als entwickelte man ein gutes Herz, übte Dharma, praktizierte und ähnliches, während man einfach nur achtlos bleibt und gar nichts denkt, so vergeudet man damit die eigene gute [menschliche] Lebensgrundlage mit ihren Freiheiten und richtet auch andere zugrunde, die ähnliche Anlagen haben. Außerdem schafft man dadurch einen wirkungsvollen Umstand dafür, dass die Lehre degeneriert. Deshalb sollten diejenigen, die für sich das Gute wünschen, die oben erklärte Art, unterscheidende Weisheit [zu entwickeln], von ganzem Herzen wertschätzen. Dies wird in den Heiligen Reden und den Kommentaren immer wieder betont. Im Zusammengefassten Sūtra153 heißt es zum Beispiel:

Wie sollten Millionen und Abermillionen von Blinden, die den Weg nicht wissen, jemals ohne Führung in die Stadt gelangen? Ebenso fehlen den fünf Vollkommenheiten154 die Augen, solange sie ohne Weisheit sind: Weil sie ohne Führung sind, können sie nicht die Erleuchtung erreichen. Sobald sie jedoch von Weisheit unterstützt werden, gewinnen sie ihr Augenlicht und verdienen diesen Namen [„Vollkommenheiten“].

Und auch der ehrwürdige Maitreya sagt:

Der Gedanke [von wahrer Existenz] in Bezug auf die drei Sphären155 wird als Hindernis für die Allwissenheit betrachtet. All die [leidenschaftsverbundenen] Gedanken wie Geiz und so weiter werden als Hindernisse der Befreiung angesehen. Außer Weisheit gibt es kein anderes Mittel, um diese aufzugeben; deshalb ist Weisheit die höchste Tugend. Die Grundlage der Weisheit aber ist das Lernen; deshalb ist das Lernen die höchste Tugend.

Und auch der Meister Aśvaghoṣa sagt:

Der Blinde, der wenig gelernt hat, weiß nicht, wie zu meditieren ist; und was sollte jemand, der dieses Wissen nicht hat, wohl [in seiner Meditation] denken? Deshalb muss man sich anstrengen zu lernen; durch die aus dieser Ursache hervorgehende, überlegt geübte Meditation entsteht eine weit gefasste Weisheit.

Ebenso sagt der erhabene Gelehrte Vasubandhu:

Jener ethisch Lebende, der [das Wissen aus] Gelehrsamkeit und Nachdenken besitzt, übt intensiv die Meditation.

Die besondere Bedeutung der drei Wurzeln des Heilsamen Diese drei Geistesfaktoren sind die Wurzel aller heilsamen Eigenschaften; sie sind die Mittel, um alle Verfehlungen zu unterbinden; und sie sind wie das Kernstück aller Pfade. Denn sie dienen auf allen Hohen Ebenen und Pfaden dazu, die drei Geistesgifte zusammen mit deren Anlagen zu überwinden und zu beenden. Alle Verfehlungen entstehen definitiv aus irgendeinem der drei Geistesgifte als ihren Ursachen; und deshalb hat Asaṅga über die Funktion dieser drei Wurzeln des Heilsamen, [welche die Gegenteile der drei Geistesgifte sind,] gelehrt, dass sie die „Basis für eine gute Beherrschung gegenüber Verfehlungen“ darstellen.

Es gibt zahllose Unterteilungen in besondere Arten dieser drei Wurzeln des Heilsamen. Wenn man die Bedeutung von Begierdelosigkeit, Hasslosigkeit und Verblendungslosigkeit weit fasst, sind alle Pfade in ihnen enthalten. Betrachten wir zum Beispiel die Begierdelosigkeit:

  • Wenn man das Gewahrsein von diesem Leben abwendet und nicht daran haftet, sondern sein Interesse auf spätere [Leben] lenkt, so ist diese Geisteshaltung die eines Übenden mit anfänglichen Fähigkeiten;
  • wenn man mit Begierdelosigkeit gegenüber sämtlichen Vortrefflichkeiten des Daseinskreislaufs das Hängen daran vom Grunde des Herzen abwendet, so ist diese Geisteshaltung die eines Übenden mit mittleren Fähigkeiten;
  • wenn man frei von dem Begehren des Daseinskreislauf und der [persönlichen] Ruhe [des Nirvāṇa] das nicht-verweilende Nirvāṇa anstrebt, so ist diese Geisteshaltung die eines Übenden von höchsten Fähigkeiten.

Wenn man die Begierdelosigkeit in dieser umfassenden Weise erklärt, müsste an dieser Stelle eigentlich die Gesamtheit der Heiligen Reden erläutert werden. Es ist offensichtlich, dass das nicht möglich ist; hier habe ich für die Verständigen nur einen bloßen Eindruck vermitteln wollen, [wie der gesamte Pfad von der Begierdelosigkeit her erklärt werden kann]. Ähnliches gilt für Hasslosigkeit und Verblendungslosigkeit.

7. Tatkraft

Wesen ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens sagt Asaṅga:

Was ist Tatkraft? Sie ist die Freude des Geistes daran, sich [bezüglich heilsamer Handlungen] zu wappnen, sie durchzuführen, nicht den Mut zu verlieren, sich nicht abzuwenden und sich nicht [mit Teilerfolgen] zufriedenzugeben. Die Funktion der Tatkraft ist, dazu zu führen, dass man die Handlungen auf der heilsamen Seite vollständig durchführt und vollendet.

Dementsprechend ist Tatkraft die manifeste Freude des Geistes an heilsamen Taten. So lehrt es auch der Meister Vasubandhu:

Was ist Tatkraft? Sie ist das Gegenmittel der Trägheit, die manifeste Freude des Geistes am Heilsamen.

Und in seiner Anleitung auf dem Weg zum Erwachen sagt Śāntideva (VII, 2):

Was ist Tatkraft? Sie ist die Freude am Heilsamen.

Heutzutage wird in der Welt zwar jede Form von Anstrengung „Tatkraft“ genannt; doch weltliche Anstrengungen wie die Feldarbeit und so weiter, die man ausschließlich zum Zwecke dieses Lebens aufbringt, sind nicht wirklich Tatkraft. Dies wird aus den oben genannten Zitaten deutlich: Diese lehren, dass Tatkraft die Freude an heilsamen Taten ist; die Anstrengung für die nur auf dieses Leben gerichteten Pläne ist ein Hemmnis der Tatkraft, sie ist das, was man „das Hängen an schlechten Handlungen“ nennt.

Die verschiedenen Arten der Tatkraft ‒ Was die Unterteilung der Tatkraft angeht, so werden in der Großen Darlegung der Stufen auf dem Pfad zur Erleuchtung von [Tsongkapa] drei Arten erläutert:

  1. die wappnende Tatkraft,156

  2. die Tatkraft beim Sammeln heilsamer Eigenschaften,157

  3. die Tatkraft im Dienst der Lebewesen.158

Im Kompendium des Höheren Wissens werden fünf Arten genannt:

  1. die wappnende Tatkraft,

  2. die Tatkraft der Durchführung,159

  3. die nicht verzagende Tatkraft,160

  4. die sich nicht abwendende Tatkraft,161

  5. die sich nicht zufriedengebende Tatkraft.162

(1.) Die wappnende Tatkraft ist wie das Anlegen einer festen Rüstung im Denken, das einer heilsamen Tätigkeit vorausgeht; sie besteht in der Freude des Geistes an dieser Tätigkeit, bevor man sie beginnt. So heißt es auch in der Zusammenfassung der Vollkommenheiten163 [von Aśvaghoṣa]:

Angenommen der Tag und die Nacht wären so weit ausgedehnt, dass sie ebenso lange währten wie der gesamte Daseinskreislauf in der Vergangenheit und der Zukunft, und ein Zeitalter währte so lange wie ein Jahr, das sich durch die Ansammlung solcher Tage und Nächte bildet: Wenn das Mitleid nicht verzagt, obwohl in jedem solchen Zeitalter, deren Anzahl den Wassertropfen des Ozeans gleicht, ein altruistisches Streben nach höchster Erleuchtung entwickelt und mit dieser Haltung dann die einzelnen anderen Anhäufungen geübt werden müssen, wenn die edle Erleuchtung ohne Entmutigung verwirklicht wird, wenn man im Daseinskreislauf den Gedanken an das eigene Leiden verwirft und die unermessliche, feste Rüstung [in sich] erzeugt, dann wird diese mutige Disziplin, deren Natur das Mitleid ist, als das erste einwandfreie Gelöbnis bezeichnet.

(2.) Die Tatkraft der Durchführung ist die Freude bei der praktischen Ausführung [einer heilsamen Handlung]. Dabei gibt es zwei Arten:

  1. die [Tatkraft] der stetigen Durchführung,164

  2. die [Tatkraft] der Durchführung zur rechten Zeit.165

(3.) Die nicht verzagende Tatkraft bedeutet, dass man beim Beginn einer heilsamen Handlung nicht ängstlich ist und den Mut verliert, sondern Freude daran erzeugt, indem man sich bewusst macht, dass man die Fähigkeit zu dieser Aufgabe besitzt. Diese Geisteshaltung kommt in einem Zitat aus den Lebensgeschichten166 zum Ausdruck:

Entmutigung hilft nicht zur Befreiung aus Armut. Wer sich daher vom Kummer nicht erdrücken lässt, sondern sich auf weise Menschen stützend die nötigen Aufgaben durchführt, wird selbst dann, wenn es äußerste Mühen [zu überwinden gibt], leicht die Befreiung erlangen.

Wer sich somit nicht der Furcht und der Freudlosigkeit hingibt, sondern mit den jeweils angemessenen Mitteln das Notwendige tut und Mut schöpft aus der Standhaftigkeit und dem Glanz der weisen Menschen, der hat es in der eigenen Hand, alle Ziele zu erreichen.

(4.) Die sich nicht abwendende Tatkraft bedeutet, dass man bei der Ausübung einer heilsamen Tätigkeit von anderen Umständen nicht umgestimmt werden kann, sondern sie mit freudigem Geist zu Ende bringt. So sagt auch der Dsche Lama [Tsongkhapa im Gesang der inneren Erfahrung]:

Wenn man die Rüstung der festen, sich nicht wieder abwendenden Tatkraft angelegt hat, wachsen alle Tugenden der Kenntnis der Schriften und der Verwirklichung wie der zunehmende Mond. Alles Handeln wird bedeutungsvoll; und bei allen Aufgaben, die man beginnt, erreicht man die Ziele wie gewünscht. Dieses wissend, entfalten die Bodhisattvas ihre segensreiche Tatkraft, die alle Trägheit vertreibt.

(5.) Die Tatkraft, sich nicht zufrieden zu geben, bedeutet, dass man sich nicht damit zufrieden gibt, geringfügige Formen von Tugenden und heilsamen Handlungen erreicht zu haben, sondern sich weiter bemüht, höhere Eigenschaften zu erreichen. Es ist ein äußerst großes Hindernis dafür, über den Pfad in seiner Gesamtheit Anlagen in sich zu setzen, wenn man einige geringere, zweitrangige Teile des Pfades für die wesentlichen hält und daraufhin die anderen, wesentlichen Aspekte beiseite lässt; deshalb ist es wichtig, ein Verständnis des gesamten Korpus des Pfades zu erlangen. So heißt es auch in der Großen Darlegung der Stufen auf dem Pfad:

Der Heilige Asaṅga hat immer wieder betont, dass man [für die Übung auf dem Pfad] zwei Arten von Tatkraft benötigt: zum einen die [Tatkraft], die nicht verzagt, auch wenn man die Schulungsmethoden in den umfassenden [Handlungsweisen eines Bodhisattva] gut kennt [und daher weiß, wie langwierig und umfangreich diese sind], zum anderen die [Tatkraft], die sich nicht mit nur dürftigen Tugenden zufrieden gibt.

Heutzutage glauben manche, man hätte bereits einen großen Fortschritt auf dem Pfad gemacht, wenn nur einige scheinbare Tugenden entstanden sind oder wenn man im Falle von echten Tugenden diese nur einseitig entwickelt hat und sich dann damit zufrieden gibt, nur diese zu üben. Doch ein Mensch, der in Bezug auf die wichtigen Punkte des Pfades weise und erfahren ist und die Dinge von der engen Verbindung der Kenntnis der Schriften und der Logik her betrachtet, wird einem zu verstehen geben, dass das, [was man bisher erreicht hat,] zwar gewiss bereits ein Teil der Tugenden ist, aber dass dadurch allein noch nichts vollendet wurde. Wenn man dies hört, entsteht offensichtlich eine große Mutlosigkeit im Geist, und es scheint äußerst selten zu sein, dass jemand daraufhin selbst angesichts der unendlich vielen Anweisungen, die zu üben sind, nicht verzagt und sich nicht mit einseitigen Tugenden zufrieden gibt, sondern danach trachtet, die besondere Qualität der höheren Tugenden zu erreichen.

Jede Entwicklung von heilsamen Eigenschaften beruht auf Tatkraft ‒ Was die Funktion der Tatkraft angeht, so hat [Asaṅga] gelehrt, dass sie dazu führt, „die Handlungen auf der heilsamen Seite vollständig durchzuführen und zu vollenden.“ Diese Aussage bedeutet, dass alle Phänomene auf der heilsamen Seite von der Tatkraft abhängig sind. Entsprechend sagt [der Buddha] im Sūtra von der Ermahnung zur Außergewöhnlichen Geisteshaltung167:

Alles, was in dieser Welt geschaffen wird, und alles, was über die Welt hinausgehend geschaffen wird, ist für jemanden, der Tatkraft aufbringt, nicht schwer zu erreichen. Welcher Weise sollte da verzagen und es an der Stärke der Tatkraft mangeln lassen?

Diejenigen, die in [den Pfad] zur Erleuchtung eines Buddha eingetreten sind, bringen unablässig Tatkraft auf, weil sie die Nachteile der Dumpfheit und des Schlafes sehen. Dazu sind sie von mir ermahnt worden.

Und [Maitreya] sagt im Schmuck der Sūtras des Großen Fahrzeugs168 (XVI, 65-66):

Innerhalb der Anhäufungen heilsamer Eigenschaften ist die Tatkraft die höchste Tugend; gestützt auf diese werden alle nachfolgenden [Tugenden] erreicht. Durch Tatkraft [entsteht] unverzüglich das höchste Verweilen in Glück. Der Wunsch nach langem Genuss aller weltlichen und überweltlichen siddhis wird durch Tatkraft erfüllt. Durch Tatkraft erlangt man die gänzliche Wandlung zur Reinheit. Durch Tatkraft gelangt man über die [verblendeten Ansichten bezüglich der] wechselhaften Anhäufungen [der Aggregate] hinaus und wird erlöst. Durch Tatkraft erwacht man zur höchsten Erleuchtung.

Weil in dieser Weise alle Tugenden auf die Tatkraft folgen, sind die Methoden zur Erzeugung von Tatkraft äußerst wichtig. Diese Methoden zur Erzeugung von Tatkraft werden zwar in sehr umfassender Weise aus den oben zitierten Schriften des Höheren Wissens deutlich, wenn man versteht, diese Schriften genau zu analysieren; doch solche Menschen wie wir, deren Intelligenz gering ist, haben es sehr schwer, die entsprechenden Methoden ausschließlich auf der Grundlage dieser Schriften zu verstehen. Deshalb ist es äußerst wichtig, diese Methoden anhand solcher [hauptsächlich praxisorientierter] Erläuterungen zu lernen, wie sie etwa der allwissende Dsche [Tsongkhapa] in seiner Darlegung der Stufen auf dem Pfad gibt. Dort lehrt er:

  • die Vorzüge der Entwicklung von Tatkraft,

  • die Nachteile, sie nicht zu entwickeln,

  • die Methoden, um die Hemmnisse der Tatkraft zu überwinden: die Trägheit in Form des Aufschiebens, des Hängens an schlechten Handlungen und der Neigung zum Müßiggang,

  • die Art und Weise, wie die förderlichen Umstände für Tatkraft in Gestalt der vier Kräfte geübt werden: die Kraft der Wertschätzung, die Kraft der Beharrlichkeit, die Kraft der Freude und die Kraft des Lassens.

Hier ist es allerdings nicht möglich, alle diese Themen zu behandeln, deshalb sollte man Näheres dazu in Erfahrung bringen, indem man [Śāntidevas] Anleitung auf dem Weg zum Erwachen und die Texte über die Stufen auf dem Pfad zur Erleuchtung eingehend studiert.

8. Beweglichkeit

Wesen ‒ Das Kompendium des Höheren Wissens lehrt:

Was ist die Beweglichkeit? Sie ist die Gefügigkeit von Körper und Geist, die dazu dient, die Fortdauer der schlechten Tendenzen des Körpers und des Geistes zu beenden; sie besitzt die Funktion, alle Hindernisse zu beseitigen.

Wie es hier gelehrt wird, ist die Beweglichkeit eine Erkenntnis, die [von dem Aspekt bestimmt wird, dass sie] die Nachwirkung hinterlässt, den Geist in Bezug auf [jedes] heilsame Beobachtungsobjekt wie gewünscht einsetzen zu können, und dass sie die Fortdauer der schlechten Tendenzen von Körper und Geist beendet.

Körperliche und geistige Beweglichkeit ‒ Die Beweglichkeit lässt sich in zwei Arten unterteilen:

  1. körperliche Beweglichkeit,

  2. geistige Beweglichkeit.

(1.) Körperliche Beweglichkeit bedeutet, dass der Körper durch die Kraft der meditativen Konzentration von seinen schlechten Tendenzen, das heißt seiner mangelnden Gefügigkeit, geläutert wird und dadurch leicht und beweglich wird wie ein Baumwollbällchen, so dass er zu heilsamen Handlungen wie gewünscht benutzt werden kann.

(2) Geistige Beweglichkeit bedeutet die Gefügigkeit des Geistes, die darin besteht, dass sich der Geist ohne Hinderung mit dem Beobachtungsobjekt beschäftigen kann. Diese Gefügigkeit ergibt sich daraus, dass man sich durch die Kraft der meditativen Konzentration von den schlechten Tendenzen des Geistes befreit hat. In diesem Sinne sagt auch der Dsche Lama [Tsongkhapa im Gesang der inneren Erfahrung]:

Die Sammlung ist der König, der über den Geist herrscht: Setzt man [den Geist auf das Beobachtungsobjekt], so ist er unbeweglich wie der König der Berge; bewegt man ihn, so beschäftigt er sich mit allen [gewünschten] Beobachtungsobjekten. [Diese Sammlung] führt die große Glückseligkeit herbei, die in der Gefügigkeit des Körpers und des Geistes besteht.

Durch Beweglichkeit werden alle Hindernisse überwunden ‒ Zur Funktion der Beweglichkeit sagt Asaṅga, dass sie „die Funktion besitzt, alle Hindernisse zu beseitigen“. Das bedeutet: Durch die Kraft der Beweglichkeit reinigt man sich von allen schlechten Tendenzen des Körpers und des Geistes. Wenn man Beweglichkeit erlangt, wird die Konzentration von innen her weiter entfacht. Dies führt dazu, dass die Konzentration stark anwächst, und durch das bloße Anwachsen der Konzentration wächst auch wieder die Glückseligkeit der Beweglichkeit. Durch das bloße Anwachsen dieser wächst [umgekehrt wieder] die Konzentration, und auf diesem Wege entwickelt sich [im Geist immer stärker] die Kraft, Hindernisse zu beseitigen.

9. Achtsamkeit

Wesen ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens sagt Asaṅga:

Was ist die Achtsamkeit? Aufbauend auf Hasslosigkeit, Verblendungslosigkeit oder Begierdelosigkeit und mit Tatkraft verbunden, ist sie das Hüten des Geistes vor befleckten Phänomenen und die Gewöhnung an heilsame Phänomene. Sie hat die Funktion, alle weltlichen und überweltlichen Vortrefflichkeiten zu verwirklichen und zu vollenden.

Wie es hier gelehrt wird, ist die Achtsamkeit ein Gewahrsein, das [von dem Aspekt her bestimmt wird, dass es] den Geist nicht unter den Einfluss von Leidenschaften geraten lässt, sondern ihn auf der Grundlage der Tatkraft vor dem Befleckten behütet und ihn benutzt, das Heilsame zu verwirklichen.

Verschiedene Arten der Achtsamkeit ‒ [Asaṅga] lehrt in Die Hohen Ebenen eines Bodhisattva fünf Arten der Achtsamkeit:

  1. Achtsamkeit in Bezug auf das Vergangene: dass man die vergangenen Verfehlungen der Lehre entsprechend wiedergutmacht;169

  2. Achtsamkeit in Bezug auf das Zukünftige: dass man den festen Willen fasst, dieses auch in Zukunft zu tun;170

  3. Achtsamkeit in Bezug auf das Gegenwärtige: dass man dieses auch gegenwärtig tut und es nicht vergisst;171

  4. vorbeugende Achtsamkeit: dass man sich sehr stark zusammennimmt, indem man [untersucht], wie man sich verhalten und wie man leben muss, damit keine Verfehlungen entstehen, und dabei denkt: „Wie gut wäre es doch, wenn ich mich genau so verhielte und so lebte!“172

  5. präsente Achtsamkeit des entsprechenden Verhaltens: dass man sich daraufhin tatsächlich entsprechend diesem Entschluss verhält und entsprechend lebt.173

Diese Erklärungen der fünf Arten der Achtsamkeit stammen von dem allwissenden Dsche [Tsongkhapa].

Wirkungsweise der Achtsamkeit ‒ Über die Funktion der Achtsamkeit lehrt [Asaṅga], dass sie die Basis dafür bildet, „alle weltlichen und überweltlichen Vortrefflichkeiten zu verwirklichen“. Demnach ist die Achtsamkeit als Wurzel aller Pfade äußerst wichtig. In diesem Sinne sagt auch Nāgārjuna [im Freundlichen Brief (Suhṛllekha, I, 3)]:

Der Überwinder hat gelehrt, dass Achtsamkeit der Ort des [Lebens‑]Nektars, Unachtsamkeit aber der Ort des Todes ist: Übe daher stets mit Hingabe Achtsamkeit, um die heilsamen Eigenschaften anwachsen zu lassen.

10. Gleichmut

Wesen ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens lehrt Asaṅga:

Was ist Gleichmut? Er gründet auf der Begierdelosigkeit, Hasslosigkeit oder Verblendungslosigkeit und ist mit Tatkraft verbunden. Er wirkt dem Verbleiben in Zuständen entgegen, die mit Leidenschaften verbunden sind. Er ist die Ausgeglichenheit des Geistes, das Verweilen des Geistes in einem ursprünglichen Zustand und das Verweilen des Geistes in einem spontanen Zustand. Er besitzt die Funktion, völlig leidenschaftsverbundenen Phänomenen keine Gelegenheit [zur Entstehung] zu geben.

Dementsprechend ist der Gleichmut [ein Geistesfaktor, der von dem Aspekt bestimmt wird], dass man durch die Mittel, die dazu dienen, den Geist punktförmig auf ein inneres Beobachtungsobjekt zu richten, der Reihe nach die Neun Verweilungsstufen des Geistes [auf dem Weg zur Geistigen Ruhe] erlangt hat und dann mit dem Erlangen der neunten Geistesstufe ein spontanes Verweilen des Geistes erreicht hat, so dass man nicht weiter Anstrengung aufbringen muss, um Mittel gegen Erregung und Sinken anzuwenden.

Allgemein gibt es drei Arten des Gleichmuts: (1) Gleichmut bezüglich der Anwendung von Mitteln gegen Sinken und Erregung, (2) Empfindung von Gleichmut und (3) Unermesslichen Gleichmut. Hier handelt es sich um die erste Art, den Gleichmut bezüglich der Anwendung von Mitteln gegen Sinken und Erregung.

Den Weg zur Entwicklung Geistiger Ruhe kennenlernen ‒ [Wichtige Themen] in Bezug auf die Entwicklung von Geistiger Ruhe sollte man in den Schriften über den Stufenweg zur Erleuchtung (Lamrim) nachlesen. Einige dieser Punkte sind:

  • wie man während der ersten Stufe den Geist auf das Meditationsobjekt richtet;
  • wie man von dem Zeitpunkt an, da man Gegenmittel gegen Sinken und Erregung anwendet, das Verweilen auf dem Meditationsobjekt weiterentwickelt;
  • wie man in dieser Phase die Gegenmittel gegen Sinken und Erregung anwendet;
  • wie man es schließlich erreicht, in punktförmiger Konzentration zu verweilen;
  • wo die Grenze liegt zwischen den Phasen, in denen es nötig ist, auf Sinken und Erregung achtzugeben, und den Stadien, in denen es nicht [mehr] nötig ist;
  • wie man den [oben beschriebenen] Gleichmut erreicht, und anderes mehr.174

Wirkungsweise ‒ [Asaṅga] lehrt über die Funktion des Gleichmuts, dass „er die Funktion besitzt, den völlig leidenschaftsverbundenen Phänomenen keine Gelegenheit [zur Entstehung] zu geben“. Dies bedeutet, dass es dann, wenn man die neunte Stufe auf dem Weg zur Geistigen Ruhe erreicht, einfach ist, die manifesten Leidenschaften des Sinnlichen Bereichs zu verhindern, und dass insbesondere zur Zeit der meditativen Versenkungen Sinken und Erregung nicht mehr auftreten.

11. Gewaltlosigkeit

Wesen ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens lehrt Asaṅga:

Was ist die Gewaltlosigkeit? Sie gehört zur Kategorie der Hasslosigkeit und ist die mitleidsvolle Haltung des Geistes. Als Funktion bewirkt sie, dass man andere nicht quält.

Gewaltlosigkeit ist demnach [ein Geistesfaktor, der von dem Aspekt bestimmt wird], dass man eine völlig nicht-feindselige Haltung einnimmt, die sich darin äußert, dass man bei der Beobachtung des Leidens der fühlenden Wesen dieses Leiden nicht ertragen kann, sondern wünscht, dass sie davon frei sein mögen.

Gewaltlosigkeit ist die Essenz der Lehre ‒ Gewaltlosigkeit bedeutet, dass man es aufgibt, den fühlenden Wesen Schaden zuzufügen; somit stellt sie die Essenz der Heiligen Reden des Siegers dar. So heißt es [im Vinaya]:

„Geduld ist die edle Askese, Geduld ist das höchste Nirvāṇa“, so hat der Buddha gelehrt. Wer zwar dem weltlichen Leben entsagt hat,175 [aber] andere schädigt und andere verletzt, ist kein Tugendübender.

Im [Ordinations‑]Ritual nach dem Vinaya wird beim Überreichen des Siebs [an den neu Ordinierten] darauf hingewiesen, dass er definitiv ein Sieb besitzen muss, um [beim Entnehmen von Wasser aus natürlichen Gewässern das Wasser zuerst zu sieben und so] Schaden von den im Wasser lebenden Lebewesen fernzuhalten. Als Grund dafür wird angegeben, dass die Lehre des Siegers von Mitgefühl bestimmt wird und man deshalb jegliches Zufügen von Schaden zusammen mit der Grundlage für solches Handeln [– der Geisteshaltung der Gewalt –] von den anderen fernhalten muss.

Die Vier Dharmas eines Tugendübenden ‒ Wenn [am Ende der Ordination] die Anweisungen [für die korrekte Lebensführung eines Mönchs oder einer Nonne] ausgesprochen werden, wird man eindringlich dazu ermahnt, nach den Vier Dharmas eines Tugendübenden176 zu leben:

  1. wenn man auch beschimpft wird, nicht im Gegenzug zu beschimpfen;

  2. wenn einem auch gezürnt wird, nicht im Gegenzug zu zürnen;

  3. wenn man auch geschlagen wird, nicht im Gegenzug zu schlagen;

  4. wenn auch eigene Fehler herausgestellt werden, nicht im Gegenzug Fehler herauszustellen.177

Wenn daher die Verständigen diese [Anweisungen] in rechter Weise zu analysieren wissen, sind sie in der Lage zu begreifen, dass das Aufgeben von Gewalt die eigentliche Essenz der Lehre ist.

Unterteilungen des Heilsamen und des Unheilsamen

Fünf Arten des Heilsamen ‒ Nun mag man sich fragen, ob es im Bereich des Heilsamen nur die elf hier beschriebenen Faktoren gibt. Dazu muss man wissen, dass allgemein fünf Arten des Heilsamen erklärt werden:

  1. das von seiner Entität her Heilsame,178

  2. das aufgrund der [bewusstseinshaften] Verbindung Heilsame,179

  3. das aufgrund der indirekten Verbindung Heilsame,180

  4. das **aufgrund der Motivation **Heilsame,181

  5. das endgültig Heilsame.182

(1) Die zuvor erklärten** **elf Heilsamen Faktoren wie Vertrauen und so weiter werden „von ihrer Entität her heilsam“ genannt, weil sie als in sich heilsame Entitäten entstehen, unabhängig von anderen Faktoren wie zum Beispiel der Motivation. Aus diesem Grund sind die elf Faktoren, die hier dargestellt worden sind, auch die wichtigsten Arten des Heilsamen.

(2) „Aufgrund der Verbindung heilsam“ werden der Hauptgeist und die Geistesfaktoren genannt, die mit den elf Heilsamen Faktoren wie Vertrauen und so weiter aufgrund der fünf bewusstseinshaften Übereinstimmungen verbunden sind.

(3) „Aufgrund der indirekten Verbindung heilsam“ nennt man die heilsamen karmischen Anlagen, [die von einem heilsamen Geist und von heilsamen Geistesfaktoren hinterlassen wurden].

(4) „Aufgrund der Motivation heilsam“ nennt man die körperlichen und sprachlichen Taten, die von [den heilsamen Geistesfaktoren wie] Vertrauen und so weiter motiviert sind.

(5) Was das „endgültig Heilsame“ angeht, so wird erklärt, dass es die endgültige Realität ist [– die Selbstlosigkeit]. Dabei wird nur die Bezeichnung „heilsam“ verwendet, weil man sich durch die Meditation, die auf die endgültige Realität gerichtet ist, von allen Hindernissen reinigt; tatsächlich aber ist die endgültige Realität nicht heilsam, [sondern karmisch neutral].

Acht Arten des Heilsamen ‒ Die oben genannten Arten des Heilsamen können von dem Zeitpunkt [ihres Entstehens] her auch in folgende acht Arten unterteilt werden:

  1. Heilsames, das angeboren ist,183

  2. Heilsames, das man sich [in diesem Leben] angeeignet hat,184

  3. Heilsames, das vor [Objekten der Verehrung] ausgeführt wird,185

  4. Heilsames, das [anderen] hilft,186

  5. Heilsames, das in jeder Hinsicht [gute Früchte] trägt,187

  6. Heilsames, das als Gegenmittel wirkt,188

  7. Heilsames, das vollständiger Frieden ist,189

  8. Heilsames, das auf einer übereinstimmenden Ursache beruht.190

(1) Heilsames, das angeboren ist, ist zum Beispiel Vertrauen, das nicht von der Gewöhnung in diesem Leben abhängig ist, sondern das man aufgrund von Anlagen aus früheren Leben von Geburt an besitzt.

(2) Heilsames, das man sich [in diesem Leben] angeeignet hat, entsteht zum Beispiel dann, wenn aufgrund der folgenden vier Umstände der Wunsch nach Buddhaschaft entsteht: dass man sich in diesem Leben auf einen Geistigen Lehrer stützt, dass man der Heiligen Lehre zuhört, dass man sie korrekt in den Geist aufnimmt und dass man dann solche Lehren ausübt, die für das Erreichen des Nirvāṇa förderlich sind.

(3) Heilsames, das vor [Verehrungsobjekten] ausgeführt wird, sind zum Beispiel Taten der Verbeugung oder der Darbringung, die auf ein besonderes Verdienstfeld gerichtet sind.

(4) Heilsames, das [anderen] hilft, sind zum Beispiel die Taten im Rahmen der Vier Mittel, Schüler zu sammeln,191 die dazu dienen, fühlende Wesen zur Reifung zu bringen.

(5) Heilsames, das in jeder Hinsicht [gute Früchte] trägt, sind tugendhafte Taten von besonderer Qualität, die zum Erlangen eines Hohen Daseins oder des Endgültig Guten führen.

(6) Heilsames, das als Gegenmittel wirkt, sind solche heilsamen Taten, die die besondere Kraft besitzen, das Aufzugebende auf der nicht-förderlichen Seite tatsächlich zu überwinden.

(7) Als etwas Heilsames, das vollständiger Frieden ist, werden zum Beispiel die Wahren Beendigungen erklärt. [So heißt in dem folgenden Vers der Verehrung der Lehre]:

Ich verneige mich vor der Lehre, die Frieden ist, die aufgrund ihrer Reinheit von Begierde frei ist, die durch ihre Heilsamkeit von elendem Dasein befreit, die in jeder Hinsicht erhaben und wahrhaftig ist.

(8) Heilsames, das auf einer übereinstimmenden Ursache beruht, sind zum Beispiel die Fünf Höheren Wahrnehmungskräfte und die Zehn Kräfte [eines Buddha], die dadurch entstehen, dass man die Wahren Beendigung erlangt.

Fünf Arten des Unheilsamen ‒ Ebenso werden fünf Arten des Unheilsamen erklärt:

  1. das von seinem Wesen her Unheilsame,192

  2. das aufgrund der [bewusstseinshaften] Verbindung Unheilsame,193

  3. das aufgrund der indirekten Verbindung Unheilsame,194

  4. das aufgrund der Motivation Unheilsame,195

  5. das endgültig Unheilsame.196

(1) Von ihrer Entität her unheilsam sind die meisten Leidenschaften und Nebenleidenschaften.

(2) Aufgrund der [bewusstseinshaften] Verbindung unheilsam sind Geist und Geistesfaktoren, die mit den Leidenschaften bewusstseinshaft übereinstimmen.

(3) Aufgrund ihrer indirekten Verbindung unheilsam sind die unheilsamen karmischen Anlagen.

(4) Aufgrund der Motivation unheilsam sind die körperlichen und sprachlichen Taten, die von den Leidenschaften motiviert sind.

(5) Endgültig unheilsam sind die Phänomene, die zum Daseinskreislauf gehören. Diese werden zwar „unheilsam“ genannt, weil sie ein Ursprung für die Abkehr eines Heiligen sind; doch sind nicht definitiv alle Phänomene, die zum Daseinskreislauf gehören, tatsächlich unheilsam. Ähnlich muss man sicher auch bei vielen Arten des Unheilsamen, die hier genannt wurden oder noch genannt werden, unterscheiden, welche tatsächlich unheilsam sind, und welche nur so genannt werden.

Sieben Arten des Unheilsamen ‒ Das Unheilsame kann ebenso wie das Heilsame auch vom Gesichtspunkt des Zeitpunkts [des Entstehens] her eingeteilt werden:

  1. Unheilsames, das angeboren ist,197

  2. Unheilsames, das man sich** [neu] angeeignet** hat,198

  3. Unheilsames, das vor [Verehrungsobjekten] ausgeführt wird,199

  4. Unheilsames, das [anderen] schadet,200

  5. Unheilsames, das in jeder Hinsicht [schlechte Früchte] trägt,201

  6. Unheilsames, das zur nicht-förderlichen Seite gehört,202

  7. Unheilsames, das [Heilsames] unterbindet.203

(1) Unheilsames, das angeboren ist, liegt zum Beispiel dann vor, wenn man aufgrund von Anlagen aus früheren Leben von Geburt an spontan dazu tendiert, andere zu töten. In Bezug darauf kann man beim Debattieren über [den korrekten Gebrauch der] Worte gewiss argumentieren, dass beispielsweise die Tat des Tötens zwar unheilsam ist, man gleichzeitig aber in Frage stellen muss, ob man auch die Tendenz zu töten als unheilsame Handlung bestimmen kann. Doch die hier angegebenen Einteilungen des Unheilsamen sind nicht für die heutigen Klugen als Hilfsmittel, die für die Debatte benötigt werden, zusammengestellt worden. Sie sind vielmehr niedergeschrieben worden als Hilfsmittel, die man benötigt, um bei der Übung im Rahmen des Stufenwegs zur Erleuchtung darüber zu kontemplieren, was heilsam und was unheilsam ist. Deshalb ist es richtig, hier nicht nach den bloßen Worten zu sehen, sondern das Gewahrsein nach innen zu richten und diese Erklärungen im Zusammenhang mit der Ausübung zu betrachten.

(2) Unheilsames, das man sich [in diesem Leben neu] angeeignet hat, sind zum Beispiel Verfehlungen mit Körper, Rede und Geist, die dadurch entstehen, dass man sich auf einen unheilsamen Freund stützt, Scheinlehren zuhört, sich an unangemessene Geistestätigkeit gewöhnt und so weiter.

(3) Unheilsames, das vor [Verehrungsobjekten] ausgeführt wird, ist zum Beispiel ein Blutopfer, das man vor einem Götterbildnis darbringt, weil man von einem verkehrten Lehrer in die Irre geleitet wurde und daraufhin glaubt, Gewaltanwendung sei Religion.

(4) Unheilsames, das [anderen] schadet, sind solche Taten von Körper, Rede oder Geist, mit denen man anderen fühlenden Wesen Schaden zufügt.

(5) Unheilsames, das ganz und gar [schlechte Früchte] trägt, sind solche hervorrufenden oder vervollständigenden Taten, die als Resultat ausschließlich Leiden hervorbringen.

(6) Unheilsames, das zur nicht-förderlichen Seite gehört, sind zum Beispiel die schlechten Ansichten, die das Entstehen unbefleckter Pfade verhindern.

(7) Unheilsames, das [Heilsames] behindert, sind zum Beispiel die schlechten Ansichten, die alle [Handlungen] auf der Seite des Heilsamen behindern.

Auch was das karmisch Neutrale angeht, kann man unterteilen, beginnend mit dem, was von seiner Entität her karmisch neutral ist, bis hin zu dem, was aufgrund einer übereinstimmenden Ursache karmisch neutral ist. Auch in Bezug auf das Heilsame und Unheilsame gäbe es sicher noch viel zu erklären, zum Beispiel darüber, inwieweit etwas von seiner Ausprägung her heilsam erscheint, aber nicht wirklich heilsam ist, oder über das Gegenteil davon, nämlich dass etwas von seiner Ausprägung her unheilsam erscheint, aber nicht wirklich unheilsam ist, und so weiter. Aber diese Punkte sollen hier nicht weiter ausgeführt werden. Wer darüber genaueres wissen möchte, sollte in die Schriften über Höheres Wissen schauen.

So sage ich:

Oh welche Torheit, sich mit sinnlosen Taten abzumühen, ähnlich wie der, der erschöpft ist vom Dreschen leerer Spreu, während man doch auf die Sieben Reichtümer der Heiligen204 getroffen ist, die – wenn man sie einmal gefunden hat – alle Ansammlungen des Guten für dieses Leben und die Zeit danach gewähren!

Wie lächerlich ist es, wollte man auf den Hohen Ebenen und den Pfaden voranschreiten, indem man sich auf die Krücken falscher Scheinlehren stützt, während das Auge des Verstandes, der zwischen Pfad und Nicht-Pfad unterscheidet, von dem Schmutzwasser der Worte von Toren und Dummen getrübt ist.

Hört her, hört her, Freunde, die ihr nach Weisheit strebt! Wenn ihr das Juwel suchen wollt, das alle Wünsche nach den zwei Arten des Wohles205 erfüllt, so tut ihr gut daran, wenn ihr dem höchsten Fährmann mit Gutem Geist [Lobsang Drakpa]206 folgt und euch auf die Reise ins wunscherfüllende Meer der Lehren des Überwinders [Buddha] macht!

Mit diesen Versen möchte ich zum nächsten Abschnitt überleiten, der die Sechs Wurzelleidenschaften behandeln wird.

8.2.4.4 Die sechs Wurzelleidenschaften

Die Sechs Wurzelleidenschaften sind:

1.Begierde,207

2.Wut,208

3.Stolz,209

4.Unwissenheit,210

5.Zweifel,211

6.leidenschaftsverbundene Ansicht.212

Allgemeines Wesensmerkmal der Leidenschaften

Was die allgemeine Definition der Leidenschaften angeht, sagt [Asaṅga] im Kompendium des Höheren Wissens:

Eine Leidenschaft ist ein Phänomen, das im Moment seines Auftretens mit dem Wesensmerkmal äußerster Unausgeglichenheit entsteht; dadurch, dass es entsteht, gerät das Geisteskontinuum in einen äußerst unausgeglichenen Zustand. Dies ist das Wesensmerkmal der Leidenschaft.

Demnach ist eine Leidenschaft ein Bewusstsein, das im Moment seines Auftretens das Geisteskontinuum in einen äußerst unausgeglichenen Zustand versetzt. [Nach dieser allgemeinen Beschreibung wird] im folgenden das Wesen der einzelnen Leidenschaften [erklärt].

1. Begierde

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die Begierde? Sie ist die Anhaftung innerhalb der Drei Bereiche. Sie besitzt die Funktion, Leiden hervorzurufen.

Entsprechend ist die Begierde ein Geistesfaktor, der nach einem befleckten Phänomen strebt, das er als etwas von seiner eigenen Entität her Attraktives ansieht. Dazu lehrt der allwissende Dsche [Tsongkhapa in seiner Großen Darlegung des Stufenwegs zur Erleuchtung]:213

Die Begierde beobachtet ein inneres oder äußeres Objekt, das anziehend und attraktiv [erscheint], und haftet daran: So schwierig es ist, in ein Stück Stoff eingedrungenes Öl wieder daraus zu entfernen, so schwierig ist es, die Begierde, die an ihrem Beobachtungsobjekt hängt und sich verstärkt, von diesem zu lösen.

Unterteilungen der Begierde ‒ Die Begierde lässt sich [nach dem Bereich] in drei Arten unterteilen:

  1. Begierde des Sinnlichen Bereichs,214

  2. Begierde des** Körperlichen Bereichs**,215

  3. Begierde des Körperlosen Bereichs.216

Im Schatzhaus des Höheren Wissens teilt [Vasubandhu] die Begierde in zwei Arten:

  1. Begierde des Sinnlichen Bereichs,

  2. Begierde des Daseinskreislaufs.217

Dabei fasst er die Begierden der beiden oberen Bereiche zu einer, der Begierde des Daseinskreislaufs, zusammen.

(1) Die Begierde des Sinnlichen Bereichs ist das Anstreben und das Begehren, das auf die fünf angenehmen Attribute der Sinnesobjekte218 wie des Sichtbaren, der Töne und so weiter gerichtet ist. (2) Die Begierden der beiden oberen Bereiche werden zu einer zusammengefasst und gemeinsam als „Begierde des Daseinskreislaufs“ bezeichnet. In diesem Fall nennt [Vasubandhu] die beiden oberen Bereiche „Daseinskreislauf“ [und das Verlangen, das auf diese Versenkungszustände gerichtet ist, „Begierde des Daseinskreislaufs“], um die Täuschung abzuwenden, die Versenkungen des Körperlichen oder des Körperlosen Bereichs seien ein Pfad zur Befreiung.

Begierde als wesentliche Ursache für die Wiedergeburt ‒ Über die Wirkungsweise der Begierde lehrt [Asaṅga], dass sie „die Funktion“ besitzt, „Leiden hervorzurufen“. Das bedeutet: Die Wurzel aller Leiden des Daseinskreislaufs innerhalb der Drei Bereiche ist die Wiedergeburt, mit der die Verbindung [zu einer neuen Existenz] im Daseinskreislauf hergestellt wird. Die hauptsächliche Ursache dafür, dass man Geburt im Daseinskreislaufs annimmt, ist aber gerade die Begierde, das heißt das Verlangen [innerhalb der Zwölf Glieder des Abhängigen Entstehens]. Dies macht [Asaṅga] hier deutlich.

2. Wut

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die Wut? Sie ist die völlig feindselige Geisteshaltung gegenüber fühlenden Wesen, Leiden oder Phänomenen, die die Grundlage für Leiden bilden. Sie hat die Funktion, die Basis dafür zu bilden, dass man nicht im Kontakt [mit Glück] lebt und dass man sich unheilsam verhält.

Wie Asaṅga hier lehrt, ist Wut eine völlig feindselige Geisteshaltung, die bei der Beobachtung eines der drei Objekte der Wut dieses nicht ertragen kann und den Wunsch hat, Schaden zuzufügen.

Die drei Objekte der Wut und die neun Grundlagen der Feindseligkeit ‒ Die drei Objekte der Wut, die hier genannt werden, sind:

  1. fühlende Wesen,

  2. Leiden innerhalb des eigenen Kontinuums;

  3. die Bedingungen, aus denen Leiden entstehen.

Was die „Neun Grundlagen der Feindseligkeit“, die gelehrt werden, angeht, so sagt Nāgārjuna in Der Kostbare Kranz von Anweisungen an den König:219

Die Absicht, anderen zu schaden, entsteht aus neun Ursachen: aus sinnlosen Befürchtungen in Richtung der eigenen Person, der Freunde und der Feinde in Bezug auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft.

In der* Großen Darlegung der Stufen des Pfades zur Erleuchtung* erklärt [Tsongkhapa]:

Wut ist eine völlig feindselige Haltung; sie ist die Grobheit des Geistes gegenüber fühlenden Wesen, Leiden und den Grundlagen für Leiden wie Waffen, Dornen und ähnlichem, und sie ist die Absicht, diesen Objekten Schaden zuzufügen.

Wut verhindert das Erlangen von Glück ‒ Die Wirkungsweise der Wut ist, dass man in diesem Leben nicht im Kontakt mit Glück lebt und dass sie in späteren [Leben] unermessliches Leiden erzeugt. So heißt es auch in der Anleitung auf dem Weg zum Erwachen (VI, 3-5):

Wenn der Stachel des Hasses im Herzen sitzt, erlebt der Geist keine Ruhe, er erlangt weder Freude noch Glück, findet keinen Schlaf und verliert seine Festigkeit.

Den Hasserfüllten Herrn wollen selbst die töten, die von seiner Hilfe abhängig geworden sind, weil er ihnen Reichtum und Ansehen verschafft.

Der Hass macht die Freunde traurig. Selbst wenn man sich mit Geschenken Freunde machen möchte, vertrauen sie sich einem nicht an. Kurz, es kommt niemals vor, dass ein Zorniger glücklich lebt.

Auch in den Vorgeburtsgeschichten220 heißt es entsprechend:

Durch Zorn verschlechtert sich die Gesichtsfarbe des Menschen; selbst wenn er sich mit Schmuck ziert, hat er kein angenehmes Aussehen, und selbst wenn er in einem angenehmen Bett liegt, erfährt sein Geist Leiden durch den Stachel des Zorns.

[Der Zornige] vergisst, was [der andere] für ihn Nützliches getan hat. Gepeinigt von seinem Zorn, gerät er auf schlechte Wege. Er erleidet den Verlust seines guten Rufes und der Erfüllung seiner Ziele. Auch seine Pracht verliert sich wie das Gesicht des abnehmenden Mondes.

Selbst wenn Freunde ihn mit Liebe stark unterstützen, fällt er aufgrund seines Zorns in den Abgrund der Unvernunft. Weil sein Urteilsvermögen über [die Vorzüge von] Hilfsbereitschaft und [die schädlichen Folgen von] Übelwollen geschwächt ist, überschreitet er die meisten [Grenzen ethischen Verhaltens], und sein Geist verdummt.

Weil er sich aufgrund des Zorns an schlechte Taten gewöhnt hat, erlebt er hunderte von Jahren das Leiden in elenden Daseinsbereichen. Was könnte ihm selbst ein Feind, der seinen Leib in Besitz genommen und ihm großen Schaden zugefügt hat, noch Schlimmeres antun?

3. Stolz

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Stolz? Er basiert auf der falschen Ansicht der vergänglichen Anhäufung [als Ich und Mein] und ist der Hochmut des Geistes; er hat die Funktion, die Grundlage für das Entstehen von Respektlosigkeit und von Leiden zu bilden.

Wie es hier gelehrt wird, ist Stolz ein Geistesfaktor, der bei der Beobachtung irgendeiner Grundlage für Hochmut wie Reichtum, Vorzügen und ähnlichem die Ausprägung von Hochmut annimmt. Dazu heißt es in der Großen Darlegung der Stufen des Pfades zur Erleuchtung:

Stolz basiert auf der falschen Ansicht der vergänglichen Anhäufung [als Ich und Mein] und besteht in dem Hochmut des Geistes bei der Beobachtung von [Unterschieden wie] hoch und niedrig oder gut und schlecht in Bezug auf äußere oder innere Dinge. Er führt dazu, dass [der Geist] die Ausprägung der Höhe annimmt.

Dass der Stolz auf der falschen Ansicht der vergänglichen Anhäufung basiert, ist gelehrt worden, weil alle Formen des Stolzes in Abhängigkeit der angeborenen falschen Vorstellung eines Ich entstehen, welche mit dem Gedanken „Ich!“ verbunden ist.

Sieben Arten des Stolzes ‒ Der Stolz wird in sieben Arten unterteilt:

1.Stolz:221 der Hochmut des Geistes, der auf dem Gedanken beruht, man selbst sei einer anderen, niedrigeren Person, überlegen.

2.Übermäßiger Stolz:222 der Hochmut des Geistes, der auf dem Gedanken beruht, man selbst sei solchen Personen überlegen, die einem ebenbürtig sind.

3.Stolz noch über dem Stolz:223 der Hochmut des Geistes, der auf dem Gedanken beruht, man überträfe selbst noch jene bei weitem, die einem tatsächlich überlegen sind.

4.Stolz des Ich-Gefühls:224 eine hochmütige Haltung, verbunden mit dem Gedanken „Ich“ während der Wahrnehmung der eigenen befleckten Aggregate.

5.Eingebildeter Stolz:225 der Hochmut des Geistes, der auf dem Gedanken beruht, man hätte etwas erreicht, was man in Wirklichkeit nicht erreicht hat.

6.Stolz des Gefühls geringfügiger Unterlegenheit:226 der Hochmut des Geistes, der auf dem Gedanken beruht, man sei nur geringfügig niedriger als diejenigen, die einem tatsächlich weit überlegen sind.

7.Verkehrter Stolz:227 der Gedanke, man hätte gute Eigenschaften erlangt, obwohl man tatsächlich auf Abwege geraten ist; wie beispielsweise die Einbildung, man hätte Vorzüge erlangt, während man in Wirklichkeit von einem Dämonen besessen ist; oder zum Beispiel die Einbildung und Prahlerei [als Mönch oder Nonne], man tue etwas zum Wohle der anderen, wenn man die Regeln der Disziplin überschreitet, während man sich in Wirklichkeit nur aufgrund des Hängens an Besitz und Ansehen wie ein Laie verhält. So heißt es auch in den Schriften der Disziplin (vinaya):

... eingebildet auf Eigenschaften, derer man sich in Wirklichkeit schämen müsste ...

Diese Darstellung der sieben Arten von Stolz entspricht der Darstellung im Schatzhaus des Höheren Wissens; im Kostbaren Kranz [von Nāgārjuna] werden sie [teilweise] anders erklärt (Vers 406b-412):228

Stolz ist von sieben Arten; diese will ich jede für sich erklären:

Zu prahlen, man sei niedriger als der Niedrige, gleich mit dem Gleichen oder dem Niedrigeren überlegen oder ihm gleich, wird der „Stolz des Selbst“229 genannt.

Zu prahlen, man sei gleich mit denen, die einem selbst in bestimmten Eigenschaften überlegen sind, ist der übermäßige Stolz.

Sich einzubilden, man sei den Überlegenen überlegen, der Gedanke, höher zu sein als die äußerst Hohen, ist der Stolz über dem Stolz; dieser ist so bösartig wie die Eitergeschwulst, die noch auf einer weiteren Schicht über einem Geschwür entsteht.

Die Vorstellung des Gedankens: „Ich“, die aus Unwissenheit bezüglich der fünf leeren [Aggregate] entsteht, die man „das [von Taten und Leidenschaften] substantiell Verursachte“ nennt, wird als Stolz des Gedankens „Ich!“ erklärt.

Der Gedanke, man habe Resultate erreicht, die man nicht erreicht hat, ist der eingebildete Stolz. Sich dafür zu loben, dass man schlechte Taten begangen hat, wird von den Weisen als der verkehrte Stolz erkannt.

Sich selbst zu erniedrigen, indem man denkt: „Ich bin nutzlos“, wird als „Stolz der Niedrigkeit“230 bezeichnet. Das sind, zusammengefasst, die sieben Arten des Stolzes.

Wirkungsweise des Stolzes ‒ Weil der Stolz zu mangelndem Respekt gegenüber denjenigen führt, die Vorzüge besitzen, verhindert er, dass man neue schriftliche oder erkenntnismäßige Lehren erlangt; er bildet eine Ursache dafür, dass man in späteren Leben in elenden Daseinsbereichen geboren wird und dass man selbst dann, wenn man als Mensch wiedergeboren wird, in einer niedrigen Klasse, als Diener und so weiter geboren wird. Somit bringt er sowohl in diesem als auch in späteren Leben Unerwünschtes hervor. So heißt es auch in [Nāgārjunas] Kostbarem Kranz (17b-18):

Hochmut führt zu einer schlechten Klasse; Neid zu geringer Ausstrahlung. Zorn führt zu schlechter Farbe; die Weisen nicht zu fragen, führt zu Dummheit. Das sind die Früchte im menschlichen Dasein; zuerst jedoch führen alle diese Eigenschaften zu elendem Dasein.231

Das gleiche sagt [Dsche Tsongkhapas] in der Darlegung des Stufenwegs zur Erleuchtung:

Der Stolz ist in diesem Leben das größte Hindernis für das Entstehen des Pfades [im eigenen Kontinuum]; zudem bildet er die Ursache dafür, dass man in späteren Leben [in einer niedrigen Stellung] als Diener oder ähnliches [geboren] wird. Deshalb ist er aufzugeben.

4. Unwissenheit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die Unwissenheit? Sie ist das Nichtwissen innerhalb der Drei Bereiche; sie besitzt die Funktion, die Grundlage dafür zu bilden, dass verkehrte Beurteilungen der Phänomene, Zweifel und Leidenschaften entstehen.

Entsprechend ist die Unwissenheit der Geistesfaktor des Nichtwissens, der in Bezug auf die Bestehensweise aller Phänomene getrübt ist.

Unwissenheit als bloßes Nichterkennen oder als verkehrte Sichtweise ‒ Es gibt [allgemein] zwei Formen von Unwissenheit:

  1. die Trübung, die ein Geistesfaktor des [bloßen] Nichtwissens ist,

  2. die Trübung, die ein Gewahrsein ist, das die Wirklichkeit verkehrt auffasst.

Im Kompendium des Höheren Wissens wird die Unwissenheit, von der expliziten Aussage her gesehen, als Geistesfaktor des Nichtwissens gelehrt; ebenso erklärt sie der Meister Vasubandhu in seiner Schrift Über die Fünf Aggregate. Daher stimmen Asaṅga und sein Bruder [Vasubandhu] darin überein, dass sie die Unwissenheit in diesem Sinne [als Geistesfaktor des Nichtwissens] erklären. Im Gegensatz dazu vertritt der Meister Dharmakīrti die Meinung, dass es sich bei der Unwissenheit um eine Trübung handelt, die die Wirklichkeit verkehrt auffasst. So gibt es zwar diese beiden Darstellungen der Unwissenheit: zum einen als verkehrte Auffassung, zum anderen als ein Bewusstseinszustand des Nicht-Erkennens, doch beide Darstellungen stimmen darin überein, dass das wesentliche Gegenmittel der Unwissenheit die Weisheit ist, welche die Selbstlosigkeit erkennt.

Zwei Arten der Unwissenheit ‒ Die Unwissenheit lässt sich in zwei Arten unterteilen:

  1. Unwissenheit, die bezüglich des Zusammenhangs von Tat und Wirkung getrübt ist,232

  2. Unwissenheit, die bezüglich der endgültigen Realität getrübt ist.233

Aus Unwissenheit, die über den Zusammenhang von Tat und Wirkung getrübt ist, sammelt man Taten an, die zur Geburt in elenden Daseinsbereichen führen; aus Unwissenheit, die über die endgültige Realität getrübt ist, sammelt man Taten an, die dazu führen, dass man in den glücklichen Bereichen kreist.

Wirkungsweise der Unwissenheit ‒ Zur Funktion der Unwissenheit lehrt Asaṅga, dass sie „die Grundlage dafür bildet, dass verkehrte Beurteilungen der Phänomene, Zweifel und Leidenschaften entstehen“. Das bedeutet: In Abhängigkeit von Unwissenheit entstehen auch die übrigen Leidenschaften; in Abhängigkeit davon kommt es zu Taten; in Abhängigkeit davon entstehen all die Leiden des Daseinskreislaufes. Somit entstehen alle Leidenschaften und alle Übel in Abhängigkeit von Unwissenheit. Entsprechend sagt [Dharmakīrti] im Kommentar zur Gültigen Erkenntnis:

Wer das [substantiell-eigenständige] Selbst sieht, bei dem entsteht ständig das Festhalten am „Ich“. Durch dieses Festhalten entsteht das Verlangen nach Glück; dieses Verlangen aber verdeckt die Fehler [des Daseinskreislaufs].

Und an anderer Stelle:

Alle Arten des Übels entstehen aus der Ansicht der vergänglichen Anhäufung [als Ich und Mein]. Das ist die Unwissenheit, daraus entsteht Begierde, daraus entstehen Hass und die anderen [Leidenschaften]. Deshalb hat [der Buddha] gelehrt, dass Verblendung die Ursache aller Übel ist.

Und wiederum an anderen Stelle:

Alle Übel haben diese als ihre Wurzel: die Ansicht der vergänglichen Anhäufung [als Ich und Mein].

Ebenso sagt der Dsche Lama [Tsongkhapa im Lobpreis des Abhängigen Entstehens]:234

Was es auch an Übeln in der Welt gibt, deren Wurzel ist die Unwissenheit. Als Mittel, sie durch Erkenntnis zu überwinden, hat [der Buddha] das abhängige und verbundene Entstehen gelehrt.

Kurz, die Unwissenheit ist die Wurzel für das Kreisen im Daseinskreislauf; sie ist die Grundlage aller [befleckten] Taten und Leidenschaften. Deshalb hat [der Buddha] als erstes der Zwölf Glieder des Abhängigen Entstehen die Unwissenheit gelehrt.

5. Zweifel

Über den Zweifel heißt es im Kompendium des Höheren Wissens:

Was ist der Zweifel? Er ist der Zwiespalt des Geistes in Bezug auf die Wahrheiten; er besitzt die Funktion, die Basis dafür zu bilden, dass man [Handlungen] auf der heilsamen Seite nicht beginnt.

Wie es hier gelehrt wird, ist der Zweifel ein Geistesfaktor, der [von dem Aspekt bestimmt wird, dass er] bei der Beobachtung der Vier Wahrheiten, des Gesetzes von Tat und Wirkung und ähnlichem zwischen zwei gegensätzlichen Richtungen schwankt und unentschieden ist.

Dieser Zweifel behindert alle heilsamen Handlungen, insbesondere behindert er die Sicht auf die Wahrheiten; und weil er in dem Augenblick abgewendet wird, da man die Wahrheiten [mit unmittelbarer Wahrnehmung] schaut, wird gelehrt, dass er [einer der drei] Faktoren der völligen Bindung ist, die auf dem Pfad des Sehens aufgegeben werden.235

6. Leidenschaftsverbundene Ansicht

Es gibt fünf Formen der leidenschaftsverbundenen Ansicht:

  1. die Ansicht der vergänglichen Anhäufung [als „Ich“ und „Mein“],236

  2. die Ansicht, die an ein Extrem glaubt,237

  3. die Ansicht, die eine [schlechte] Ansicht für die beste hält,238

  4. die Ansicht, die [ungeeignete Formen der] Disziplin und Übung für die besten hält,239

  5. die verkehrte Ansicht.240

6.1. Die Ansicht der vergänglichen Anhäufung ‒** Im *Kompendium des Höheren

Wissens* heißt es:

Was ist die Ansicht der vergänglichen Anhäufung? Sie ist das Erdulden, der Wunsch, das Verstehen, die Auffassung und die Ansicht in Bezug darauf, die [durch Taten und Leidenschaften] angenommenen Fünf Aggregate als ein echtes Ich und Mein anzusehen. Es hat die Funktion, die Basis für alle [leidenschaftsverbundenen] Ansichten zu bilden.

Somit ist die Ansicht der vergänglichen Anhäufung eine leidenschaftsverbundene Intelligenz,241 die bei der Beobachtung der [durch Leidenschaften und befleckte Taten] angenommenen Aggregate [diese in verkehrter Weise] als Ich und Mein auffasst. Der Grund, warum diese Ansicht „Ansicht der vergänglichen [Anhäufung]“ genannt wird, wird [von Tsongkhapa] in seiner Darstellung des Stufenwegs beschrieben:

„Vergänglich“ bedeutet unbeständig, und „Anhäufung“ bedeutet Vielheit. Das heißt, die Grundlage, die von dieser Ansicht [als Ich und Mein] betrachtet wird [die Aggregate also], sind solche Phänomene, die ausschließlich unbeständig und aus vielen [Teilen] bestehend sind; denn es gibt keine Person, die beständig und teilelos wäre. Um dies zu verdeutlichen, wurde dieser Ansicht der Name „Ansicht der vergänglichen Anhäufung“ gegeben.

Die Aufzählung [der Attribute dieser Ansicht,] wie Erdulden und so weiter, die Asaṅga im Kompendium nennt, bedeutet folgendes:

  • Weil [diese Ansicht] den verkehrt [aufgefassten] Sachverhalt nicht fürchtet, ist sie ein Erdulden;
  • weil sie jenes verkehrt [aufgefasste] Objekt anstrebt, ist sie ein Anstreben;
  • weil sie jenes Objekt intensiv unterscheidet, ist sie ein Verstehen;
  • weil sie an [ihrer Beurteilung] jenes Objekts stark hängt, ist sie eine Auffassung;
  • weil sie jenes Objekt beobachtet, ist sie eine Ansicht.

Was die Funktionsweise der Ansicht der vergänglichen Anhäufung angeht, so bildet sie die Grundlage für alle schlechten Ansichten. So heißt es auch in der Lebensgeschichte der sieben jungen Mädchen:242

Wann wird es nur sein, dass ich diese Ansicht der vergänglichen Anhäufung, die die Mutter aller [schlechten] Ansichten ist, vertrieben habe und dass ich nicht mehr nach den Genüssen des Daseinskreislaufes verlange!

20 Erscheinungsformen der Ansicht der vergänglichen Anhäufung als „Ich“ und „Mein“ ‒ Es werden 20 Arten der Ansicht der vergänglichen Anhäufung gelehrt. Dabei beziehen sich jeweils vier Arten dieser Ansicht auf jedes der fünf Aggregate. Am Beispiel des körperlichen Aggregats dargestellt sind diese vier Arten:

  1. die Ansicht, der Körper sei das Selbst,

  2. die Ansicht, das Selbst sei der Besitzer des Körpers,

  3. die Ansicht, der Körper sei der Besitz des Selbst („mein Körper“),

  4. die Ansicht, das Selbst wohne im Körper.

So sagt auch [Nāgārjuna] im Freundschaftlichen Brief:

„Der Körper ist nicht das Selbst“, so wird gelehrt; [ebenso] ist das Selbst nicht der Besitzer des Körpers, das Selbst existiert nicht im Körper, und der Körper existiert nicht im Selbst. Verstehe, dass auch die übrigen vier Aggregate in gleicher Weise leer sind.

Und auch [Candrakīrti] sagt in Ergänzung zum Mittleren Weg243 (VI, 144-145):

Der Körper ist nicht das Selbst; das Selbst besitzt nicht den Körper; das Selbst existiert nicht im Körper; und der Körper existiert auch nicht im Selbst. Damit sollte man erkennen, dass sich die vier Aspekte [der Ansicht der vergänglichen Anhäufung] auf alle fünf Aggregate beziehen; so werden die 20 Ansichten des Selbst beschrieben.

Das Vajra der [Weisheit, welche] die Selbstlosigkeit erkennt, zerstört das Bergmassiv dieser Ansichten. Gleichzeitig mit dem Vergehen des Selbst, [das diese Ansichten fälschlich vorgestellt hat,] gehen auch die [20] hohen Gipfel zugrunde, die auf dem mächtigen Berg stehen, der in der Ansicht der vergänglichen Anhäufung besteht.

Es wird gelehrt, dass die 20 Ansichten der vergänglichen Anhäufung sich wiederum zu den zwei Vorstellungen des Selbst zusammenfassen lassen. [Diese sind:

  1. die falsche Vorstellung von einem Selbst der Person,

  2. die falsche Vorstellung von einem Selbst der Phänomene.]

Wer genau wissen möchte, was das Wesen dieser ist, sollte dies aus dem Kompendium des Höheren Wissens und den Kommentaren dazu sowie aus [Tsongkhapas] Klare Erhellung der Intention,244 einem ausführlichen Kommentar zu [Candrakīrtis] Ergänzung zum Mittleren Weg, entnehmen.

2. Die Ansicht des Glaubens an ein Extrem

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die Ansicht, die ein Extrem erfasst? Sie ist das Erdulden, der Wunsch, das Verstehen, die Auffassung und die Ansicht in Bezug darauf, die [durch Taten und Leidenschaften] angenommenen Fünf Aggregate als in Wirklichkeit beständig oder nicht-existent anzusehen. Was ihre Funktion betrifft, so verhindert sie, dass man sich mit Hilfe des mittleren Weges endgültig [von den Extremen des Beständigkeitsglaubens und des Nihilismus] löst.

Die Ansicht, die ein Extrem erfasst, ist demnach eine leidenschaftsverbundene Form der Intelligenz, die das Selbst beobachtet, wie es von der Ansicht der vergänglichen Anhäufung aufgefasst wird, und dieses entweder als beständig oder als nicht-existent auffasst. Die Art und Weise, wie diese Ansicht [das Selbst] für beständig oder nichtexistent hält, entspricht der, wie sie [Tsongkhapa] in der Darlegung des Stufenwegs zur Erleuchtung erläutert:

Was die Ansicht des Glaubens an ein Extrem betrifft, so handelt es sich um eine leidenschaftsverbundene Intelligenz, die das von der Ansicht der vergänglichen Anhäufung betrachtete Selbst beobachtet und dies entweder als etwas Beständiges, aus sich Bestehendes oder als nichtexistent ansieht in dem Sinne, dass es nicht in ein zukünftiges Leben weitergeht.

Weil diese schlechte Ansicht bewirkt, dass man in die Extreme des Beständigkeitsglaubens oder des Nihilismus fällt, bildet sie das hauptsächliche Hindernis dafür, auf dem mittleren Weg voranzuschreiten, der von diesen beiden Extremen frei ist.

3. Eine [schlechte] Ansicht für die beste halten ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die [Ansicht,] die eine [schlechte] Ansicht für die beste hält? Sie besteht in der Anschauung, eine Ansicht und der Gegenstand, auf den sich eine Ansicht bezieht – die befleckten Fünf Aggregate –, seien in Wirklichkeit das Beste, das Höchste, das Überlegene und das Letztgültige. Sie ist diesbezüglich ein Erdulden, ein Wunsch, ein Verstehen, eine Auffassung und eine Ansicht. Sie hat die Funktion, die Basis dafür zu bilden, dass man intensiv an schlechten Ansichten festhält.

Wie es hier gelehrt wird, handelt es sich um eine leidenschaftsverbundene Intelligenz, die auf eine andere schlechte Ansicht und das Objekt, in Bezug auf das sie entstanden ist, gerichtet ist und diese für das Beste hält.

Wenn Asaṅga lehrt, dass man diese Ansichten und ihr Bezugsobjekt für das Beste und so weiter hält, bedeutet dies folgendes:

  • Man hält sie für das Beste, weil man sich einbildet, sie seien perfekt;
  • man hält sie für das Höchste, weil man glaubt, es gäbe nichts Erhabeneres als diese;
  • man hält sie für überlegen;
  • man hält sie für letztgültig, weil man glaubt, es gäbe nichts anderes, was ihnen gleichkommt.

Dazu lehrt [Tsongkhapa] in der Darlegung des Stufenwegs:

[Schlechte] Ansichten für die besten zu halten ist eine leidenschaftsverbundene Intelligenz, welche die Ansicht der vergänglichen Anhäufung, die Ansicht eines Extrems oder eine verkehrte Ansicht sowie die Aggregate des Betrachters, auf deren Grundlage diese Ansichten entstehen, beobachtet und glaubt, sie seien das Beste.

[Asaṅga] lehrt von der Funktion dieser Ansicht, dass sie „die Basis dafür bildet, dass man stark an schlechten Ansichten festhält“. Das bedeutet, dass sie Anlagen setzt, die immer wieder, sowohl in diesem und wie auch in späteren Leben, dazu führen, dass man nicht von schlechten Ansichten frei wird.

4. Ungeeignete Formen der Disziplin und Übung für die besten halten

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist [die Ansicht, ungeeignete Formen der] Disziplin und der Übung für die besten zu halten? Sie ist die Anschauung, eine bestimmte Disziplin, Übung oder Grundlage für diese Disziplin und Übung – die [durch Taten und Leidenschaften] angenommenen, befleckten Fünf Aggregate – seien in Wirklichkeit ein Mittel zur Läuterung, zur Befreiung und zur Erlösung. Sie ist ein diesbezügliches Erdulden, ein Wunsch, ein Verstehen, eine Auffassung und eine Ansicht. Ihre Funktion besteht darin, dass sie die Grundlage für fruchtlose Mühen bildet.

Wie es hier gelehrt wird, ist diese Ansicht, die [ungeeignete Formen der] Disziplin und der Übung für die besten hält, eine bestimmte leidenschaftsverbundene Intelligenz. Diese beobachtet eine von schlechten Ansichten motivierte Disziplin, eine Übung, die bestimmte körperliche oder sprachliche Aktivitäten wie das Tragen von Fellen und dergleichen vorschreibt, oder die Aggregate, in Verbindung mit denen diese entstehen, und sieht diese als Mittel zur Läuterung und Befreiung an. Dazu sagt [Dsche Tsongkhapa] in der Darlegung des Stufenwegs:

[Ungeeignete Formen der] Disziplin und der Übung für die besten zu halten, ist eine leidenschaftsverbundene Intelligenz, die entweder auf eine Disziplin gerichtet ist, die dazu dienen soll, unmoralisches Verhalten aufzugeben, oder auf eine Übung, die Kleidung, Verhalten sowie körperliche und sprachliche Aktivitäten vorschreibt, oder auf die Aggregate, auf deren Grundlage diese Praktiken entstehen. Sie sieht diese als Mittel zur Läuterung von schlechten Taten, als Mittel zur Befreiung von Leidenschaften oder als Mittel zur Erlösung aus dem Daseinskreislauf an.

Zur der Funktion dieser Ansicht lehrt Asaṅga, dass sie die Grundlage ergebnisloser Mühen bildet. Dies ist deutlich zu verstehen und muss nicht weiter erklärt werden.

5. Verkehrte Ansicht

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist eine verkehrte Ansicht? Sie ist ein völlig verkehrtes Denken, das Ursachen, Wirkungen oder Funktionen verneint und existierende Dinge als nichtexistent betrachtet, und sie ist ein damit einhergehendes Erdulden, ein Wunsch, ein Verstehen, eine Auffassung und eine Ansicht. Sie besitzt die Funktion, dass sie die heilsamen Wurzeln unterbindet; die Funktion, dass man an den unheilsamen Wurzeln festhält; die Funktion, die Grundlage für die Durchführung von unheilsamen Handlungen zu bilden; und die Funktion, dass man heilsame Handlungen nicht durchführt.

Wie es hier gelehrt wird, ist eine verkehrte Ansicht eine leidenschaftsverbundene Intelligenz, die karmische Ursachen und Wirkungen, frühere und spätere Leben und so weiter als nichtexistent ansieht. Dazu lehrt [Dsche Tsongkhapa] in der Darlegung des Stufenwegs:

Eine verkehrte Ansicht ist eine leidenschaftsverbundene Intelligenz, die frühere und spätere Leben oder karmische Ursachen und Wirkungen und dergleichen als nichtexistent erklärt und verleugnet und Iśvara oder ein [allgemeines] Prinzip oder ähnliches für die Ursache der Lebewesen hält.

Es werden vier Arten von verkehrten Ansichten unterschieden:

  1. die verkehrte Ansicht, die Ursachen verleugnet: die Ansicht, es gäbe kein gutes und schlechtes Verhalten und so weiter;

  2. die verkehrte Ansicht, die** Wirkungen verleugnet**: die Ansicht, es gäbe keine aus heilsamen und schlechten Taten reifenden karmischen Früchte;

  3. die verkehrte Ansicht, die Funktionen verleugnet: die Ansicht, es gäbe keine [gütigen] Eltern, keine [Wiedergeburt von] früheren [in] spätere Welten und ähnliches;

  4. die verkehrte Ansicht, die Existierendes verleugnet: die Ansicht, es gäbe kein Erreichen der Stufe eines Feindzerstörers und so weiter.

Zwar gibt es allgemein viele verkehrte Ansichten, doch wird gelehrt, dass die schlimmsten von allen jene verkehrten Ansichten sind, die den Zusammenhang von Tat und Wirkung sowie die Wiedergeburt und so fort verleugnen; denn diese führen zur Unterbindung aller heilsamen Wurzeln.

Zusammenfassung der fünf Ansichten ‒ Die fünf nun beschriebenen leidenschaftsverbundenen Ansichten lassen sich zu zwei Arten zusammenfassen:

  1. Ansichten, die fälschlich etwas Nichtexistentes hinzufügen,

  2. Ansichten, die fälschlich etwas Existierendes negieren.

Die 20 Nebenleidenschaften

Folgende sind die 20 Nebenleidenschaften:

  1. Zorn,245

  2. Unversöhnlichkeit,246

  3. Verhehlen,247

  4. Starrsinn,248

  5. Neid,249

  6. Geiz,250

  7. Heuchelei,251

  8. Falschheit,252

  9. Eingebildetheit,253

  10. Böswilligkeit,254

  11. Mangelnde Selbstachtung,255

  12. Mangelnde Rücksicht,256

  13. Dumpfheit,257

  14. Erregung,258

  15. Unglaube,259

  16. Trägheit,260

  17. Achtlosigkeit,261

  18. Vergesslichkeit,262

  19. Mangelnde Selbstprüfung,263

  20. Ablenkung.264

1. Zorn

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Zorn? Er ist die völlige feindselige Haltung, die zum Faktor der Wut gehört [und die dann entsteht], wenn man der Ursache nahe ist, von der man Schaden erfährt. Von seiner Funktion her bildet er die Grundlage dafür, dass man nach Waffen greift, bestraft und dergleichen oder [sonst irgendetwas] in die Wege leitet, was [anderen] Schaden zufügt.

Zorn ist somit eine völlig feindselige Haltung, die sich darin äußert, dass man wünscht, durch Schlagen und dergleichen Schaden zuzufügen, wenn man sich in einer der neun Situationen befindet, die zu Feindseligkeit führen. Die neun Situationen, die zur Feindseligkeit führen, werden als die „Neun Grundlagen der Feindseligkeit“ gelehrt.265 Sie sind mit dem Gedanken verbunden:

  1. „Diese [Person] hat mir geschadet, schadet mir oder wird mir schaden“ (1.-3.);

  2. „Diese [Person] hat meinen Freunden geschadet, schadet ihnen oder wird ihnen schaden“ (4.-6.);

  3. „Diese [Person] hat meinen Feinden genutzt, nutzt ihnen oder wird ihnen nutzen. (7.-9.)“

Die Quelle dafür habe ich zuvor schon zitiert.266

Unterschied zwischen Wut und Zorn ‒ Im Rahmen der Wurzelleidenschaften wird die Wut erklärt, im Rahmen der Nebenleidenschaft wird der Zorn erklärt; man mag sich fragen, was der Unterschied zwischen diesen beiden Faktoren ist. Ich denke, dass sich der Unterschied folgendermaßen beschreiben lässt: Wut ist die völlig feindselige Haltung, die Unfähigkeit des Geistes zu ertragen, wenn [eines der] drei Objekte [der Wut]267 als Beobachtungsobjekt erscheint. Zorn ist der sehr stark aufgewühlte Geisteszustand, der entsteht, wenn man der Ursache nahe ist, die einem Schaden zufügt, und dadurch die Wut so stark anwächst, dass man wünscht, [den Schädiger] körperlich zu schlagen und dergleichen. Denn Asaṅga erklärt im Kompendium des Höheren Wissens bei der Darstellung der Wut, sie sei „die völlige feindselige Geisteshaltung gegenüber anderen fühlenden Wesen, Leiden oder Phänomenen, die die Grundlage für Leiden bilden“, und bei der Darstellung der Zorns sagt er, dieser sei „die völlige feindselige Haltung, ... wenn man der Ursache nahe ist, die einem Schaden zufügt“, und sie führe dazu, „dass man nach Waffen greift ...“ und so weiter.

Ebenso sagt [Vasubandhu] in seinem Werk Über die Fünf Aggregate bei der Erklärung der Wut, dass es sich um die „völlig feindselige Haltung gegenüber fühlenden Wesen“ handelt; bei der Erklärung der Nebenleidenschaft Zorn sagt er, dass [dieser entsteht] wenn man „dem Schädiger unmittelbar nahe ist“. Wenn man diese Aussagen der Schriften Asaṅgas und seines Bruder zusammenfügt und darüber nachdenkt, denke ich, dass man den Unterschied so erklären kann, wie ich es oben getan habe. Weil diese Dinge jedoch sehr schwierig zu erkennen sind, sollten die Verständigen sie nun weiter genau untersuchen.

Was es bedeutet, dass Zorn die Grundlage dafür bildet, dass man andere schädigt, versteht sich von selbst.

2. Unversöhnlichkeit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Unversöhnlichkeit? Sie ist das nach [der Wut bleibende] Nicht-Loslassen von dem Gedanken, [den Schädiger] zu verletzen. Sie ist deshalb mit diesem Gedanken verbunden, weil sie zum Faktor der Wut gehört. Ihre Funktion ist, dass sie die Grundlage für mangelnde Geduld bildet.

Somit ist Unversöhnlichkeit ein Gewahrsein, das von dem Kontinuum der Wut nicht ablässt, sondern wünscht, [erfahrenen] Schaden [mit Schaden] zu erwidern. Was es bedeutet, dass Unversöhnlichkeit die Grundlage für fehlende Geduld bildet, ist einfach zu verstehen.

Zu diesen beiden letztgenannten Geistesfaktoren Zorn und Unversöhnlichkeit heißt es im Kostbaren Kranz von Nāgārjuna:

Zorn ist die Aufgewühltheit des Geistes; in Verbindung damit folgt die Unversöhnlichkeit.

3. Verhehlen

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist das Verhehlen? Es ist das Festhalten an schlechten Eigenschaften, wenn man in guter Weise ermahnt wird. Der Grund dafür ist die Zugehörigkeit zum Faktor der Verblendung. Es hat die Funktion, die Grundlage dafür zu bilden, dass keine Reue entsteht und dass man kein glückliches Leben findet.

Es handelt sich um ein Gewahrsein, das aufgrund von Verblendung wünscht, eigene Fehler zu verbergen, wenn andere Personen wie etwa der Geistige Lehrer mit hilfreicher Absicht diese Fehler offenlegen. [Dieses Verhalten], die eigenen Fehler nicht zu akzeptieren und sie zu verbergen, führt dazu, dass selbst kleine Fehler zu großen anwachsen; es verursacht, dass man weder zu Reue noch zu Glück findet; und es schafft Karma, von dem man im nächsten Leben in einen elenden Daseinsbereich geworfen wird.

4. Starrsinn

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Starrsinn? Er gehört zum Faktor der Wut und ist die völlig feindselige Haltung, der Wut und Unversöhnlichkeit vorausgegangen sind. Er hat die Funktion, die Grundlage für rohe, zornige und verletzende Worte zu bilden; die Funktion, Nicht-Verdienstvolles anwachsen zu lassen; und die Funktion, dass man kein glückliches Leben findet.

Danach ist Starrsinn ein Gewahrsein, das sich dann äußert, wenn andere die eigenen Fehler zur Sprache bringen: Ohne einen Gedanken der Reue und der Einsicht entsteht aufgrund von Zorn und Unversöhnlichkeit eine Haltung des Ärgers, die zu dem Wunsch führt, verletzende Worte zu gebrauchen. Vasubandhu sagt dazu in seinem Werk Über die Fünf Aggregate, dass es sich um „verletzende Beschimpfungen mit rohen Worten“ handelt.

[Nāgārjuna] erklärt im Kostbaren Kranz den Starrsinn als das Nicht-Loslassen von schlechten Taten, weil man an der Überzeugung festhält, dieses Verhalten wäre richtig:

Starrsinn ist das Festhalten an schlechten Taten.

Ebenso erklärt [Vasubandhu] in [seinem eigenen] Kommentar zum Schatzhaus, dass Starrsinn das Festhalten an schlechten Taten ist, welches dadurch entsteht, dass man eine schlechte Ansicht für die beste hält.

Durch diesen Faktor kommt es zu vielfältigen unheilsamen Handlungen wie verletzender Rede und dergleichen, und weil dadurch viel Nicht-Verdienstvolles geschaffen wird, führt er dazu, dass man in diesem Leben kein Glück erlangt und dass in späteren Leben unangenehme karmische Früchte entstehen.

5. Neid

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Neid? Er ist ein von innen her aufgewühlter Geisteszustand, der zum Faktor des Hasses gehört und sich darin äußert, dass man aufgrund des starken Anhaftens an Besitz und Ansehen die Vortrefflichkeiten von anderen nicht ertragen kann. Seine Funktion ist, dass er geistiges Unbehagen bewirkt und dazu führt, dass man kein glückliches Leben findet.

Neid ist demnach ein Geisteszustand, der [dazu führt, dass man] von innen her aufgewühlt ist, weil man aufgrund der Anhaftung an Besitz und Ansehen die Vortrefflichkeiten anderer nicht ertragen kann.

Neid erzeugt sowohl in diesem als auch in späteren Leben sehr viel Unerwünschtes: in diesem Leben geistiges Leiden und in einem späteren Leben Wiedergeburt in einem elenden Daseinsbereich.

6. Geiz

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Geiz? Er gehört zum Faktor der Begierde und ist ein Geisteszustand, der aufgrund des starken Haftens an Besitz und Ansehen völlig an Gütern festhält. Er hat die Funktion, die Grundlage dafür zu bilden, dass man die eigenen Güter nicht verringert.

Demnach ist Geiz das Festhalten von Gütern und die aus der Macht des Hängens an Besitz und Ansehen resultierende Unfähigkeit, Güter wegzugeben.

Geiz bringt in diesem und in späteren Leben sehr viel Unerwünschtes hervor. So heißt es im Sūtra von der Mondlampe:268

Verwest ist dieser Körper, und auch die Lebenskraft wird ohnmächtig bewegt. Sie gleichen Träumen und Truggebilden; und doch begehen die Weltlichen überaus ruchlose Taten, weil sie an diesen hängen. So geraten sie unter die Macht des unheilsamen Verhaltens; und ohne Weisheit, zerstört vom Herrn des Todes, gehen sie dahin und wandern umher in den unerträglichen Höllen der Wesen.

Und im Sūtra von dem Dharaṇī zur Verwirklichung unendlicher Mittel269 heißt es:

Festhalten ist Grundlage und Wurzel für all den Streit unter den Wesen. Gib daher auf, was du begehrst! Ist das Begehren aufgegeben, so entsteht das Gedächtnis (dharaṇī).

7. Heuchelei

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die Heuchelei? Sie ist die Zurschaustellung von guten Eigenschaften, die nicht [echt] sind, aufgrund von starkem Haften an Besitz und Ansehen. Der Grund ist die Verbindung mit dem Faktor der Begierde oder der Verblendung. Sie hat die Funktion, die Grundlage für verkehrten Lebenserwerb zu bilden.

Wie es hier gelehrt wird, ist Heuchelei das auf starkem Haften an Besitz und Ansehen beruhende Vortäuschen von guten Eigenschaften, die man nicht besitzt. Obwohl der Geist zum Beispiel innerlich äußerst undiszipliniert ist, verhält man sich mit der Absicht, andere zu täuschen, scheinheilig so, als sei man ruhig und diszipliniert. In [Vasubandhus] Über die Fünf Aggregate wird Heuchelei beschrieben als „das Vorzeigen von unechten Eigenschaften, womit man andere täuscht,“ und auch [Tsongkhapa] erklärt die Heuchelei in seinem *Stufenweg *in dieser Weise.

[Asaṅga] lehrt, die Funktion der Heuchelei sei es, „die Grundlage für verkehrten Lebenserwerb zu bilden“. Tatsächlich taugt das heuchlerische Auftreten gegenüber anderen ausschließlich als Mittel zur Durchführung von verkehrtem Lebenserwerb!

Fünf Arten verkehrten Lebenserwerbs ‒ Es gibt fünf Arten von verkehrtem Lebenserwerb:

  1. Durch Heuchelei:270 das bereits erwähnte scheinheilige Verhalten, mit dem man bei anderen künstlich den Anschein erweckt, man hätte Tugenden, die man tatsächlich nicht besitzt.

  2. Durch Einschmeichelei:271 Man redet mit sanften Worten so wie es anderen gefällt, um Besitz und [hohe] Position zu erlangen.

  3. Durch Anspielung:272 Man preist die materiellen Güter des anderen, nachdem man sich zuvor bei ihm eingeschmeichelt hat. Dabei hat man den Wunsch, diese materiellen Güter des anderen zu erhalten.

  4. Durch Einschüchterung:273 Man schildert dem anderen die Nachteile des starken Geizes und dergleichen, um ihn so zum Weggeben seines Besitzes an einen selbst zu bewegen.

  5. Mit Gütern nach [mehr] Gütern trachten:274 Aus dem Streben nach Besitz lobt man gegenüber dem anderen das, was man zuvor von einem Dritten erhalten hat, indem man ausführt, dass einem diese bestimmte Person früher dieses oder jenes gegeben hat.

Kurz gesagt, [der Buddha] erklärte, dass selbst der Almosengang [der Ordinierten] in die Stadt verkehrter Lebenserwerb ist, wenn er aus Gier nach Besitz geschieht und dabei die Vorschriften der Übung nicht korrekt eingehalten werden. Wenn man sich [als Ordinierter] nicht mit verkehrtem Lebenserwerb beschmutzen will, sollte man es daher aufgeben, sich bei anderen beliebt machen zu wollen. Statt dessen sollte man [besonders] in der Abgeschiedenheit die Vorschriften der Disziplin einhalten und sich nicht in der Öffentlichkeit heuchlerisch [diszipliniert] geben, während man sich im Verborgenen gegenteilig verhält.

8. Falschheit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Falschheit? Sie ist ein Verhalten, das auf dem starken Haften an Besitz und Ansehen basiert und sich darin äußert, dass man Fehler [verbergen und sich] als fehlerfrei [darstellen will]. Der Grund ist die Zugehörigkeit zum Faktor der Begierde oder der Verblendung. Sie besitzt die Funktion, ein Hindernis für das Erhalten von tadellosen Anweisungen zu bilden.

Demnach handelt es sich um ein Gewahrsein, das aufgrund der Kraft des Hängens an Besitz und Position die eigenen Fehler anderen gegenüber nicht zu offenbaren wünscht.

Wenn es uns in dieser Weise gelingt, unsere Fehler zu verbergen und vor den anderen so geheimzuhalten, dass sie sie nicht bemerken, mögen wir in der Tat als schlau und gerissen gelten; doch vom Gesichtspunkt des Dharma betrügen wir uns nur selbst. Dazu heißt es in der Anleitung auf dem Weg zum Erwachen (V, 31-32):

„Die Buddhas und die Bodhisattvas haben auf alles unbehinderte Sicht; stets verweile ich vor ihrer aller Augen.“ Mit diesem Gedanken entwickelt sich Scham, Respekt und Furcht.

Man sollte sich immer wieder vergegenwärtigen, was [Śāntideva] hier lehrt.

Falschheit und Heuchelei erzeugen sehr viel Unerwünschtes: In diesem Leben verhindern sie, dass man einwandfreie Unterweisung erhält; in späteren Leben führen sie dazu, dass man nicht auf Geistige Lehrer des Großen Fahrzeugs trifft und keine Unterweisungen findet. Deshalb sind Falschheit und Heuchelei in dem [Sūtra-]Kapitel, das von Kāśyapa erbeten wurde, als zwei der vier negativen Eigenschaften275 aufgezählt worden [die zum Verfall des wünschenden Erleuchtungsgeistes führen].

9. Eingebildetheit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Eingebildetheit? Sie ist eine Zufriedenheit und Freude des Geistes, die zum Faktor der Begierde gehört; sie basiert auf Gesundheit, jugendlichem Aussehen [und ähnlichen Vorzügen] und entsteht, wenn man [bei sich] Eigenschaften wie langes Leben oder andere befleckte Vortrefflichkeiten beobachtet. Sie besitzt die Funktion, die Grundlage für alle Leidenschaften und Nebenleidenschaften zu bilden.

Wie es hier gelehrt wird, ist die Eingebildetheit ein Hochmut des Geistes, der durch die Freude und Zufriedenheit entsteht, wenn man [bei sich] Gesundheit, Reichtum oder ähnliches betrachtet. Weil diese Eigenschaft zum Entstehen aller Leidenschaften beiträgt, ist sie die Wurzel der Achtlosigkeit. So heißt es in dem Sūtra von der Ermahnung zur Außergewöhnlichen Geisteshaltung:

Eingebildetheit ist die Wurzel jeder Achtlosigkeit; lasse daher ganz davon ab, einen niedrigeren Mönch zu demütigen, sonst wirst du selbst in einem Zeitalter die Befreiung nicht erlangen. Das ist die Ordnung dieser Lehre.

Und im Freundschaftlichen Brief sagt [Nāgārjuna]:

Betrachte die Eingebildetheit aufgrund von Kaste, Aussehen, Gelehrtheit, Jugend und großer Macht wie deinen Feind.

10. Böswilligkeit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Böswilligkeit? Sie gehört zum Faktor der Wut und besteht in Erbarmungslosigkeit, Mitleidslosigkeit und fehlender Barmherzigkeit. Sie besitzt die Funktion, andere zu verletzen.

Entsprechend ist Böswilligkeit [ein Bewusstsein,] das kein Erbarmen mit den fühlenden Wesen empfindet, sondern wünscht, sie zu verletzen.

Die Eigenschaften der Erbarmungslosigkeit und so weiter, die hier genannt werden, werden in den Kommentaren folgendermaßen erklärt:

  • Indem man den Wunsch hat, andere zu verletzen, ist man erbarmungslos;
  • indem man andere dazu zu bringen möchte, andere Wesen zu verletzen, ist man mitleidslos;
  • indem man sich darüber freut, wenn man sieht oder hört, dass andere solches tun, ist man ohne Barmherzigkeit.

11-12. Mangelnde Selbstachtung und mangelnde

Rücksichtnahme

Mangelnde Selbstachtung ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist mangelnde Selbstachtung? Sie gehört zum Faktor der Begierde, des Hasses oder der Verblendung, und sie besteht darin, dass man sich nicht aus Gründen der eigenen Person von unmoralischen Handlungen zurückhält. Sie hat die Funktion, einen mitwirkenden Umstand für alle Leidenschaften und Nebenleidenschaften zu bilden.

Wie hier gelehrt wird, ist mangelnde Selbstachtung ein Gewahrsein, das sich nicht aus Gründen der eigenen Person oder des Dharma von Verfehlungen zurückhält. Wenn zum Beispiel ein Mönch in die Situation kommt, dass Alkohol getrunken wird, und er sich aus Gründen der eigenen Person vor einer Verfehlung hütet, indem er denkt: „Alkohol zu trinken ist kein Teil meines Handelns“, so handelt es sich um Selbstachtung. Das Gegenteil wird mangelnde Selbstachtung genannt.

Mangelnde Rücksichtnahme ‒ Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist mangelnde Rücksichtnahme? Sie gehört zum Faktor der Begierde, des Hasses oder der Verblendung und besteht darin, dass man sich nicht aus Gründen anderer von unmoralischen Handlungen zurückhält. Sie hat die Funktion, einen mitwirkenden Umstand für alle Leidenschaften und Nebenleidenschaften zu bilden.

Mangelnde Rücksichtnahme ist demnach ein Gewahrsein, das sich nicht aus Gründen anderer von Verfehlungen zurückhält. Rücksichtnahme besteht darin, dass man sich aufgrund anderer zurückhält, wenn man nahe daran ist, eine Verfehlung zu begehen, indem man denkt: „Der Lehrer [Buddha] und die Gottheiten, die die Gedanken der anderen kennen, würden [angesichts dieses Verhaltens] bestürzt sein, und andere würden es tadeln. Das wäre nicht recht.“ Daher ist das Gegenteil mangelnde Rücksichtnahme.

Ebenso beschreibt [Nāgārjuna] im Kostbarem Kranz diese beiden Faktoren:

Mangelnde Selbstachtung und mangelnde Rücksichtnahme bedeuten, dass man sich nicht um seiner selbst willen und nicht um anderer willen zurückhält.

Und [Asaṅga] sagt in Die Hohen Ebenen der Bodhisattvas:

Wenn ein Bodhisattva im Begriff steht, sich unmoralisch zu verhalten, sich dann aber bewusst macht: „Dieses Verhalten ist kein Teil von mir“, und sich daraufhin zurückhält, so ist das Selbstachtung. Wenn er angesichts dieses unmoralischen Verhaltens [das Urteil] der anderen fürchtet und Respekt davor hat und sich aus diesen Gründen zurückhält, so ist dies Rücksichtnahme.

Sowohl mangelnde Selbstachtung als auch mangelnde Rücksichtnahme bilden einen mitwirkenden Umstand für alle Leidenschaften und eine Ursache für sämtliche Verfehlungen. Denn wenn man keinen Wunsch verspürt, sich von Verfehlungen zurückzuhalten, ist man nicht in der Lage, sich davor zu bewahren. Daher wird sowohl im Unteren wie im Oberen System des Höheren Wissens gelehrt, dass mangelnde Selbstachtung und mangelnde Rücksichtnahme alle unheilsamen Zustände des Geistes bewusstseinshaft übereinstimmend begleiten. Obwohl es sicherlich noch sehr viel in diesem Zusammenhang zu sagen gäbe, will ich mich auf das hier Gesagte beschränken.

13. Dumpfheit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Dumpfheit? Sie gehört zum Faktor der Verblendung und ist die mangelnde Gefügigkeit des Geistes. Sie besitzt die Funktion, einen mitwirkenden Umstand für alle Leidenschaften und Nebenleidenschaften zu bilden.

Demnach ist Dumpfheit ein Gewahrsein, das ein Teil der Verblendung ist und das den Körper und den Geist schwerfällig und ungefügig macht. So heißt es auch in [Nāgārjunas] Kostbarem Kranz:

Fehlende Gefügigkeit, die darauf beruht, dass Körper und Geist schwerfällig sind, ist Dumpfheit.

Und auch in [Vasubandhus] Kommentar zum Schatzhaus heißt es:

Was ist Dumpfheit? Sie ist die Schwerfälligkeit des Körpers und die Schwerfälligkeit des Geistes; sie ist die fehlende Gefügigkeit des Körpers und des Geistes.

Ähnlich erklärt es auch [Tsongkhapa] in der Darlegung des Stufenwegs.

[Asaṅga] sagt über die Funktion der Dumpfheit, sie bilde „einen mitwirkenden Umstand für alle Leidenschaften und Nebenleidenschaften“. Das bedeutet, dass in Abhängigkeit von Dumpfheit alle Leidenschaften anwachsen. Es ist so, wie es auch in dem Sūtra von der Ermahnung zur Außergewöhnlichen Geisteshaltung ausgedrückt wird:

Bei einem Menschen, der Schlaf und Dumpfheit liebt, wachsen [Unausgewogenheiten im Zusammenhang mit] Schleim, Wind und Galle im Körper stark an, und seine Elemente geraten in einen Zustand äußerster Unausgeglichenheit. Der Bauch des Menschen, der Schlaf und Dumpfheit liebt, kann sich nicht von den Fehlern der Nahrung reinigen; [ebenso wie sein Geist,] ist auch sein Körper schwerfällig und hat keine angenehme Kraft und Ausstrahlung; und auch die Sprache dieses Menschen wird undeutlich.

An anderer Stelle heißt es weiter:

Ein Mensch, der Dumpfheit und Schlaf liebt, ist von Unwissenheit getrübt, und sein Streben nach der Lehre schwindet. Von all seinen Tugenden sinkt er ab auf die Stufe eines kindlichen Weltlings. Die Helligkeit verlässt ihn, und er gerät in Dunkelheit.

14. Erregung

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Erregung? Sie ist die Unruhe des Geistes, die zum Faktor der Begierde gehört und den attraktiven Merkmalen [eines Objekts] folgt. Sie besitzt die Funktion, ein Hindernis für die Geistige Ruhe zu bilden.

Somit ist Erregung ein Gewahrsein, das aufgrund der Beobachtung von früher erlebten angenehmen Sinnesobjekten den Geist so zerstreut, dass er nach außen hin [abschweift] und sich aus Verlangen [mit dem angenehmen Sinnesobjekt] beschäftigt. Dazu sagt [Nāgārjuna] im Kostbaren Kranz:

Erregung ist eine starke Unruhe des Körpers und des Geistes.

Ebenso heißt es auch in [Vasubandhus] Über die Fünf Aggregate:

Was ist Erregung? Sie ist die Unruhe des Geistes.

Zur Bedeutung dieser Aussagen sagt [Dsche Tsongkhapa] in der Darstellung des Stufenwegs:

  • Das Beobachtungsobjekt [der Erregung] ist ein angenehmes, attraktives Objekt.
  • Ihre Ausprägung ist, dass der Geist unruhig und nach außen hin zerstreut ist; denn da sie ein Teil der Begierde ist, geht sie mit der Ausprägung des Verlangens auf ihr Objekt ein.
  • Ihre Funktion besteht darin, dass sie den Geist daran hindert, bei dem Beobachtungsobjekt [der Meditation] zu verweilen.

Unterschied zwischen Erregung und Zerstreutheit ‒ Man könnte denken, jede Zerstreutheit des Geistes nach außen276 sei Erregung. Das ist aber nicht der Fall. Denn Erregung ist ein Teil der Begierde, aber es gibt noch viele andere Arten der Ablenkung des Geistes zu [anderen] Objekten, die unter dem Einfluss anderer Leidenschaften geschehen, und es gibt sogar die Zerstreutheit des Geistes hin zu heilsamen Beobachtungsobjekten, die frei von Leidenschaften ist. Deshalb ist nicht jede Zerstreutheit auch Erregung.

15. Unglaube

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Unglaube? Er gehört zum Faktor der Verblendung und ist die mangelnde Überzeugung, das fehlende Vertrauen und das Nicht-Wünschen in Bezug auf heilsame Phänomene. Er besitzt die Funktion, die Grundlage für Trägheit zu bilden.

Wie Asaṅga sagt, ist Unglaube ein [Geistesfaktor], der das Gegenteil des Vertrauens bildet und zum Aspekt der Verblendung gehört. Der Unglaube lässt sich in drei Arten unterteilen:

  1. das Gegenteil des überzeugten Vertrauens: der Unglaube, dass man beispielsweise keine Überzeugung von dem Zusammenhang zwischen Tat und Wirkung hat;

  2. das Gegenteil des läuternden Vertrauens: der Unglaube, dass man zum Beispiel gegenüber den Drei Juwelen keine Lauterkeit und keine geistige Freude und Zuneigung verspürt;

  3. das Gegenteil des anstrebenden Vertrauens: der Unglaube, der dazu führt, dass man die Befreiung und dergleichen nicht anstrebt und nicht wünscht.277

Die Funktion geht deutlich [aus der Beschreibung Asaṅgas] hervor.

  1. Trägheit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die Trägheit? Sie ist die mangelnde Freude des Geistes [an heilsamen Handlungen]. Sie gehört zum Faktor der Verblendung und entsteht in Abhängigkeit von dem Glück des Liegens, des Anlehnens oder der Ausgelassenheit. Sie besitzt die Funktion, Handlungen, die in die heilsame Richtung gehen, zu behindern.

Wie es hier gelehrt wird, ist Trägheit die mangelnde Freude des Geistes an heilsamen Tätigkeiten, die darauf basiert, dass man stark daran hängt, zu liegen und dergleichen.

Trägheit führt dazu, dass alle [Eigenschaften] auf der heilsamen Seite degenerieren. So heißt es auch im Sūtra von der intensiven Anwendung der Vergegenwärtigung:278

Trägheit ist der Boden der Leidenschaften. Bei einem Menschen, bei dem eine Form der Trägheit existiert, sind alle [heilsamen] Eigenschaften nichtexistent.

  1. Achtlosigkeit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Achtlosigkeit? Sie beruht auf Begierde, Hass oder Verblendung, verbunden mit Trägheit, und sie äußert sich darin, dass man heilsame Eigenschaften nicht einübt und den Geist nicht vor befleckten Phänomenen behütet. Sie besitzt die Funktion, die Grundlage dafür zu bilden, dass das Unheilsame anwächst und das Heilsame behindert wird.

Achtlosigkeit ist also ein Gewahrsein, das [dadurch bestimmt wird, dass man] den Geist nicht vor Leidenschaften und Anhäufungen von Verfehlungen schützt und Selbstbeherrschung übt, sondern ihm statt dessen freien Lauf lässt. Ebenso wird dieser Faktor in [Vasubandhus] Über die Fünf Aggregate dargestellt:

Was ist Achtlosigkeit? Sie besteht darin, dass man aufgrund von Begierde, Hass, Verblendung und Trägheit den Geist nicht vor Leidenschaften schützt und Heilsames nicht einübt.

Die Funktionsweise wird aus [Asaṅgas Aussage] deutlich.

18. Vergesslichkeit

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist die Vergesslichkeit? Sie ist eine Form der Vergegenwärtigung, die bewusstseinshaft mit Leidenschaften übereinstimmt. Sie besitzt die Funktion, die Grundlage für Ablenkung zu bilden.

Vergesslichkeit ist demnach ein Bewusstseinszustand, der den Geist in Bezug auf das Heilsame unklar macht und dazu führt, dass er das Heilsame vergisst; dies ergibt sich daraus, dass man sich die Beobachtungsobjekte von Leidenschaften vergegenwärtigt.

Auch in [Vasubandhus] Über die Fünf Aggregate wird die Vergesslichkeit als leidenschaftsverbundene Vergegenwärtigung beschrieben. Deshalb denke ich, dass hier nur die Undeutlichkeit und Vergesslichkeit des Geistes in Bezug auf Heilsames* *„Vergesslichkeit“ genannt wird; wenn dagegen dem Gewahrsein die verschiedenen attraktiven und unattraktiven Merkmale der Beobachtungsobjekte der Leidenschaften nicht bewusst sind, so wird dies nicht als Vergesslichkeit bestimmt.

Vergesslichkeit bildet die Grundlage für Ablenkung. Das bedeutet, dass der Geist aufgrund einer leidenschaftsverbundenen Vergegenwärtigung abgelenkt wird und zu den Beobachtungsobjekten der Leidenschaften abschweift.

19. Mangelnde Selbstprüfung

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist mangelnde Selbstprüfung? Sie ist eine mit Leidenschaften bewusstseinshaft übereinstimmende Intelligenz, die dazu führt, dass man ohne Bewusstheit in körperliches, sprachliches und geistiges Verhalten eintritt. Sie besitzt die Funktion, die Grundlage für moralische Übertretungen zu bilden.

Wie hier gelehrt wird, ist mangelnde Selbstprüfung eine leidenschaftsverbundene Intelligenz, die das Gegenteil der wachsamen Selbstprüfung ist und dazu führt, dass man sich mit Körper, Rede und Geist unbewusst verhält. Eine solche mangelnde Selbstprüfung bildet die Grundlage für moralische Übertretungen. Diesen Punkt macht [Śāntideva] der Anleitung auf dem Weg zum Erwachen deutlich (V, 26):

Viele sind gebildet, gläubig und bemühen sich angestrengt, und doch beschmutzen sie sich mit moralischen Übertretungen, weil ihnen der Fehler der mangelnden Selbstprüfung anhaftet.

20. Ablenkung

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Ablenkung? Sie ist die Zerstreutheit des Geistes, die zum Faktor der Begierde, des Hasses oder der Verblendung gehört. Sie besitzt die Funktion, ein Hindernis dafür zu bilden, dass man sich von Begierde löst.

Somit ist Ablenkung [ein Geistesfaktor], der den Geist durch die Kraft der Leidenschaften von seinem Beobachtungsobjekt abschweifen lässt. In Über die Fünf Aggregate erklärt [Vasubandhu] die Ablenkung als Zerstreuung des Geistes, die auf die fünf Sinnesobjekte gerichtet ist.

Man mag sich fragen, ob es keinen Unterschied zwischen der Ablenkung und der zuvor erklärten Erregung gibt. Doch diese beiden Faktoren sind nicht gleich: Erregung gehört zum Faktor der Begierde und ist die Zerstreuung, die sich auf einen angenehmen Aspekt eines von früher her vertrauten Objekts richtet; dagegen ist Ablenkung die Ablenkung zu irgendeinem Objekt, die zur Kategorie irgendeines der drei Geistesgifte gehören kann.

Sechs Arten von Ablenkung ‒ Es werden sechs Arten von Ablenkung genannt:

  1. Natürliche Ablenkung:279 Mit diesem Begriff werden die fünf Arten von Sinnesbewusstsein bezeichnet; denn sobald in der Versenkung der meditativen Konzentration irgendein Sinnesbewusstsein entsteht, bedeutet dies ein Austritt aus der meditativen Konzentration, die als Ablenkung weg von der inneren Konzentration nach außen beschrieben wird.

  2. Ablenkung nach außen:280 Dies ist die Zerstreutheit des Geistes nach außen hin zu sinnlichen Objekten, die dann auftritt, wenn man in heilsame Übungen im Rahmen des Lernens, Nachdenkens oder der Meditation eingetreten ist. Diese wird „Ablenkung nach außen“ genannt, weil sie dazu führt, dass [der Geist] nicht bei einem heilsamen Beobachtungsobjekt bleibt, sondern zerstreut ist [und] sich mit einem verkehrten Beobachtungsobjekt [beschäftigt].

  3. Innere Ablenkung:281 Das sind die verschiedenen Arten des Verlangens nach Sinken und Erregung und nach dem Erleben des Geschmacks der Versenkung, die während der Versenkung in die meditative Konzentration auftreten. Diese werden „innere Ablenkung“ genannt, weil sie ein Haupthindernis für die meditative Übung innerer Konzentration bilden.

  4. Ablenkung im Zusammenhang mit Anzeichen [von Verwirklichungen]:282 Dies ist die Anstrengung, Heilsames zu tun, die mit dem Gedanken einhergeht, wie schön es doch wäre, wenn die anderen davon überzeugt wären, dass man ein [fortgeschrittener] Meditierender ist.

  5. Ablenkung aufgrund schlechter Tendenzen:283 Dies ist der Hochmut des Geistes, der auf der Ansicht der vergänglichen Anhäufung und auf Stolz basiert und mit der falschen Vorstellung von Ich und Mein einhergeht und der dann entsteht, wenn man das Gefühl hat, dass man heilsam handelt.

  6. Ablenkung aufgrund von geistiger Beschäftigung [mit anderen Übungen]:284 Diese Ablenkung äußert sich zum Beispiel so, dass man die Versenkung der Vierten Sammlung aufgibt, um in die Versenkung der Dritten Sammlung oder darunter einzutreten, oder so, dass man denkt, man würde besser den Eintritt in das Große Fahrzeug aufgeben, um in ein niedrigeres Fahrzeug einzutreten.

Hier handelt es sich nur um eine allgemeine Auflistung verschiedener Arten von Ablenkung; nicht alle sind notwendigerweise auch tatsächlich die Nebenleidenschaft. Denn die erste dieser sechs genannten Arten kann auch karmisch neutral sein, und die letzte kann auch heilsamer Natur sein. Dagegen wird die Ablenkung, die die spezifische Nebenleidenschaft ist, etwa entsprechend der zweiten oder der dritten der oben genannten Arten beschrieben, also der „Ablenkung nach außen“ oder der „inneren Ablenkung“. Diejenigen, die einen feinen und klaren Verstand besitzen, sollten diesen Punkt genauer analysieren.

Bedeutung des Begriffs „Nebenleidenschaften“ ‒ Diese 20 Geistesfaktoren von Zorn bis Ablenkung heißen „Nebenleidenschaften“, weil sie mit den Wurzelleidenschaften eng verbunden sind, das heißt zur Kategorie dieser gehören. So sind Zorn und Unversöhnlichkeit eng mit Wut verbunden, sie gehören zum Faktor der Wut. Diese Zuordnungen sollte man sich im einzelnen bewusst machen; sie werden größtenteils durch die expliziten Aussagen der zuvor zitierten Passagen aus den Schriften des Höheren Wissens deutlich.

Die vier Wandelbaren Geistesfaktoren

Die vier Wandelbaren Faktoren sind:

  1. Schlaf,285

  2. Reue,286

  3. Prüfung,287

  4. Untersuchung.288

1. Schlaf

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Schlaf? Er ist die auf den Ursachen des Schlafes basierende Zurückziehung des Geistes, sei sie heilsam, unheilsam oder neutral, zur rechten Zeit oder zur falschen Zeit, richtig oder falsch. Der Schlaf gehört zum Faktor der Verblendung und besitzt die Funktion, die Grundlage dafür zu bilden, dass einem die [heilsamen] Handlungen entgleiten.

Demnach ist der Schlaf ein Gewahrsein, das die Beschäftigung des Sinnesbewusstseins mit seinen Objekten unwillkürlich [unterbindet und den Geist] nach innen zurückzieht, basierend auf Ursachen wie körperlichem Schweregefühl, Schwäche, Erschöpfung, Wahrnehmung von Merkmalen der Dunkelheit und dergleichen.

Schlaf zur rechten oder falschen Zeit ‒ Was es bedeutet, wenn [Asaṅga] von der „rechten Zeit“ und der „falschen Zeit“ spricht, hat beispielsweise [Nāgārjuna in seinem Freundschaftlichen Brief] zum Ausdruck gebracht (39):

Rechtschaffender! Verbringe den ganzen Tag sowie den ersten und den letzten Teil der Nacht [mit heilsamem Tun]; lege dich in der Zeit dazwischen mit Vergegenwärtigung schlafen, so dass selbst diese Zeit des Ruhens nicht fruchtlos bleibt.

Dies wird gesagt, um verständlich zu machen, dass die mittlere Periode der Nacht die rechte Zeit zum Schlafen, der erste und der letzte Teil der Nacht sowie der Tag dagegen die falsche Zeit zum Schlafen sind. Letztere sind vielmehr die Zeit, in der man sich bemühen sollte, Heilsames zu tun.

[Asaṅga] spricht vom „richtigen“ und „falschen“ Schlaf, um deutlich zu machen, dass der Schlaf richtig ist, wenn man in der mittleren Periode der Nacht ruht, weil man wünscht, den Körper zu regenerieren, um dann Heilsames zu tun; wenn man aber von Leidenschaften motiviert sich hinlegt – und sei es auch [zur rechten Zeit] in der mittleren Periode der Nacht –, so ist dies falsch. Der Grund für diese Aussage wird auch aus der oben zitierten Schrift [Nāgārjunas] verständlich.

**Schlaf schwächt oder stärkt das heilsame Tun ‒**Über die Funktionsweise des Schlafes, sagt [Asaṅga], er bilde „die Grundlage dafür, dass einem die Handlungen entgleiten“. Er erklärt damit, dass es zwei Arten des Schlafes gibt, den heilsamen und den unheilsamen, und dass durch einen unheilsamen, weil leidenschaftsverbundenen Schlaf die heilsamen Handlungen geschwächt werden. Dass es heilsame Formen des Schlafes gibt, wird in [Asaṅgas] Schriften über die Hohen Ebenen genau erklärt. Die schriftlichen Quellen möchte ich hier aber nicht anführen, weil ich fürchte, zu viel zu schreiben.

2. Reue

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Reue? Sie ist die Niedergeschlagenheit des Geistes aufgrund von beabsichtigten oder unbeabsichtigten, richtigen oder falschen Handlungen. Sie ist heilsam, unheilsam oder neutral; sie tritt zur rechten Zeit oder zur falschen Zeit ein; sie ist richtig oder falsch. Sie gehört zum Faktor der Verblendung und besitzt die Funktion, die Ruhe des Geistes zu stören.

Entsprechend dieser Aussage nennt man das „Aufkommen von Reue“ einen [Geistesfaktor], der auf der Grundlage einer richtigen oder falschen Handlung entsteht, welche man absichtlich getan hat oder zu der man von anderen gezwungen wurde, und der zu einer Niedergeschlagenheit führt, die damit einhergeht, dass man nicht länger wünscht, diese Handlung [getan zu haben].

Drei Arten der Reue ‒ Ebenso [wie der Schlaf] lässt sich auch die Reue in drei Arten unterteilen:

  1. heilsame Reue: dass man zum Beispiel eine früher begangene schlechte Tat bereut;

  2. unheilsame Reue: wenn Reue zum Beispiel darüber entsteht, dass man eine verdienstvolle Handlung begangen hat;

  3. neutrale Reue: einige Formen der Reue wie die im Zusammenhang mit handwerklichen Tätigkeiten, die anderen weder nützen noch schaden.

Die rechte Zeit der Reue ‒ [Asaṅga] spricht von der Reue „zur rechten Zeit oder zur falschen Zeit“ und von „richtiger“ und „falscher“ Reue: Reue ist richtig zu einer Zeit, da man noch etwas beeinflussen kann; das heißt, man muss [eine schlechte Tat] mit Hilfe der Reue bereinigen, solange die karmische Frucht noch nicht eingetreten ist. Reue ist falsch, wenn sie zu einer Zeit kommt, da man nichts mehr beeinflussen kann. Wenn die karmische Frucht [einer Tat] bereits eingetreten ist und man beispielsweise bereits in einem elenden Daseinsbereich geboren wurde oder [als Mensch] Blindheit oder Behinderung erfährt, kann [die Auswirkung] nicht mehr abgewendet werden, weil dies der Zeitpunkt ist, da die Frucht schon entstanden ist. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die genaue Untersuchung der Aussagen im Kompendium des Höheren Wissens ein hervorragendes Mittel ist, um Gewissheit über die Stufen des Pfades zu entwickeln.

3.‒4. Prüfung und Untersuchung

Im Kompendium des Höheren Wissens heißt es:

Was ist Prüfung? Sie ist die erforschende Beschreibung [eines Objekts] durch den Geist auf der Grundlage des Willens oder der Intelligenz; dabei handelt es sich um einen gröberen Geisteszustand.

Was ist Untersuchung? Sie ist die im einzelnen analysierende Beschreibung [eines Objekts] durch den Geist auf der Grundlage des Willens oder der Intelligenz; dabei handelt es sich um einen feineren Geisteszustand.

Beide Faktoren haben die Funktion, die Grundlage dafür zu bilden, dass man Glück erlangt oder dass man kein Glück erlangt.

Entsprechend wird Prüfung als die bloße oberflächliche Erforschung der Entität von Sachverhalten und ihrer Namen gelehrt; Untersuchung wird als die fein differenzierende Untersuchung gelehrt. Auch in [Vasubandhus] Über die Fünf Aggregate heißt es:

Was ist Prüfung? Sie ist die erforschende Beschreibung durch den Geist, sie ist ein gröberer Geisteszustand, der eine besondere Art des Willens und der Intelligenz ist. Was ist Untersuchung? Sie ist die im einzelnen analysierende Beschreibung durch den Geist. Sie ist ein feiner Geisteszustand, der ebenso [eine besondere Art des Willens und der Intelligenz] ist.

Die beiden Brüder [Asaṅga und Vasubandhu] geben also eine übereinstimmende Erklärungsweise.

Heilsame und unheilsame Prüfung und Untersuchung ‒ [Asaṅga] lehrt, dass diese beiden Faktoren die Funktion besitzen, „die Grundlage dafür zu bilden, dass man Glück erlangt oder dass man kein Glück erlangt“. Diese Aussage bezieht sich darauf, dass es heilsame und unheilsame Formen von Prüfung und Untersuchung gibt; weil Prüfung und Untersuchung, die zur heilsamen Seite gehören, angenehme Wirkungen hervorrufen, bilden sie „die Grundlage dafür, dass man Glück erlangt“, und weil Prüfung und Untersuchung auf der unheilsamen Seite unangenehme Wirkungen hervorrufen, bilden sie „die Grundlage dafür, dass man kein Glück erlangt“.

Auf die heilsame Seite gehört zum Beispiel die Prüfung, die mit der Absicht, sich endgültig aus dem Daseinskreislauf zu befreien, die Bedeutung der Selbstlosigkeit [im groben untersucht]. Das gleiche gilt für die genaue Untersuchung der Bedeutung der Selbstlosigkeit, die mit dieser Haltung der Entsagung durchgeführt wird. Andere Formen, wie zum Beispiel die Prüfung und die genaue Untersuchung von angenehmen und unangenehmen Situationen, die von Begierde, Wut und dergleichen motiviert sind, gehören auf die unheilsame Seite. Wieder andere Prüfungen und Untersuchungen, die weder auf heilsamen noch auf unheilsamen Gedanken basieren, wie etwa solche, die sich auf handwerkliche Dinge oder auf die Körperhaltung und ähnliches beziehen, sind karmisch neutral.

Bedeutung des Ausdrucks „Wandelbare Geistesfaktoren“ ‒ Diese vier Faktoren Reue, Schlaf, Prüfung und Untersuchung werden „wandelbare“ Geistesfaktoren genannt, weil sie durch die Macht der jeweiligen motivierenden Absicht und der bewusstseinshaften Übereinstimmung [mit anderen Geistesfaktoren] heilsam, unheilsam oder karmisch neutral werden. Leidenschaftsverbundene Formen von Reue, Schlaf, Prüfung und Untersuchung behindern allgemein alles, was zur heilsamen Seite gehört; besonders aber behindern sie die Drei Höheren Schulungen. In den Sūtras wird von fünf Hindernissen gesprochen. Diese nennt der Beschützer Nāgārjuna:

(1) Erregung und Reue, (2) Übelwollen, (3) Dumpfheit und Schlaf, (4) Streben nach Sinnlichem und (5) Zweifel: Diese fünf Hindernisse erkenne deutlich als die Diebe, die den Reichtum der Tugend rauben!

Fußnoten


  1. Die folgenden Erklärungen über Geist und Geistesfaktoren sind Übersetzungen aus: Katschen Yesche Gyältsän (Ye shes rgyal mtshan), „Eine Halskette für die mit Klarem Verstand“, eine Klare Darlegung der Beschaffenheit von Geist und Geistesfaktoren (Sems dang sems byung gi tshul gsal bar ston pa blo gsal mgul rgyan), New Delhi: Tibet House, 1974. Ich danke meinem Lehrer Geshe Thubten Ngawang (1933-2003) für seine unermüdlichen Erklärungen zur Sprache und zum Inhalt des Textes. Englische Übersetzungen: (1) In den wesentlichen Teilen wiedergegeben nach mündlichen Erläuterungen von Lati Rinpoche in: Jeffrey Hopkins, Meditation on Emptiness, London: Wisdom, 1983 (pp. 235-268). (2) Übersetzung von H.V. Guenther und L.S. Kawamura, Mind in Buddhist Psychology, Emeryville: Dharma, 1975. Katschen Yesche Gyältsän (1713-1793) war Erzieher (Yongdsin, yongs 'dzin) des siebten Dalai Lama Kälsang Gyatso (bKal bzang rgya mtsho) (1708-1757). ↩︎

  2. Der Lama wird respektvoll „Dsche-tsün“ genannt. Die beiden Silben dieser Anrede beziehen sich auf die Tugenden der Verwirklichung des eigenen Wohls und des Wohls der anderen, die der Lama erlangt hat. „Dsche“ (rje) steht für „Nying-dsche“ (snying rje) – Mitleid (Skt. karuṇā) – und bezieht sich auf die Verwirklichung des Wohls der anderen. „Tsün“ steht für „tsün-po“ (btsun po) – edel, beherrscht – und bezieht sich auf die Verwirklichung des eigenen Wohls aufgrund eines edlen, beherrschten Verhaltens von Körper, Rede und Geist, das wiederum die nötige Grundlage für die Verwirklichung des Wohls der anderen bildet. (Erläuterung von Geshe Thubten Ngawang) ↩︎

  3. „Mipam“ (Tib., mi-pham), wörtlich „der ohne Niederlage ist“, ist ein Beiname Maitreyas. ↩︎

  4. maitri, byams pa. ↩︎

  5. Maitreya, Byams pa. ↩︎

  6. Anlässlich der Vorstellung eines Thangka der „Sechs Schmückungen der Welt“ (Tib. rgyan drug) und der „zwei Erhabenen Wesen“ (Tib. mchog gnyis) während einer Reihe von Vorlesungen in der Harvard University sagte S.H. Dalai Lama: „Die Sechs Schmückungen der Welt und die Zwei Erhabenen Wesen, die auf den Malereien hinter mir dargestellt sind, haben uns die Mittel zur Analyse der Schriften gegeben. Ihre Werke öffnen uns im wahrsten Sinne die Augen. Die beiden ersten Heiligen und Gelehrten, Nāgārjuna und Āryadeva, schrieben hauptsächlich über die Philosophie der Leerheit im Einklang mit der Schule des Mittleren Weges, die die höchste Interpretation darstellt. Die nächsten beiden Meister innerhalb der Sechs Schmückungen der Welt sind Asaṅga und Vasubandhu. Ihre Werke behandeln im wesentlichen die Ethik und mehr die Seite der Methode als die der Theorie. Was die Theorie angeht, folgen sie größtenteils der Nur-Geist-Schule. Da wir Tibeter hauptsächlich der Philosophie der Schule des Mittleren Weges folgen, ergreifen wir Partei für Nāgārjuna und Aryadeva und machen kritische Einwände gegenüber Asaṅga und Vasubandhu...Die nächsten beiden Gelehrten sind Dignāga und Dharmakīrti. Die gesamte buddhistische Logik stützt sich auf die Werke Dignāgas, insbesondere in der Weise, wie sie von Dharmakīrti weiter ausgeführt wurden. Ohne die Werke dieser beiden großen Persönlichkeiten hätte die buddhistische Logik wohl keinerlei Schärfe. Die Zwei Erhabenen Wesen sind Guṇaprabha und Śākyaprabha, die hauptsächlich über die Disziplin geschrieben haben: über rechtes Verhalten, wie man Mönch oder Nonne wird, die Lebensführung Ordinierter. Die Sechs Schmückungen der Welt und die Zwei Erhabenen Wesen sind wahre Gelehrte aus vergangener Zeit.“ (Veröffentlicht in Dalai Lama. Einführung in den Buddhismus. 2. Aufl., Freiburg i.B., Herder Verlag, 1993.) ↩︎

  7. Sugata, bDe bar gshegs pa, der „Glückselig-Gegangene“ oder „Zur-Glückseligkeit-Gegangene“, ist ein Beiname des Buddha. ↩︎

  8. „Überwinder“ (Muni, Thub pa) ist ein Beiname des Buddha, weil er die Leidenschaften und die Hindernisse für die Allwissenheit überwunden oder besiegt hat. ↩︎

  9. Das „Tiefe“ ist die Lehre von der Erkenntnis der tiefgründigen Leerheit (die Seite der Weisheit auf dem Pfad); das „Weite“ ist die Lehre über die vielfältigen, umfassenden altruistischen Übungen eines Bodhisattvas (die Seite der Methode auf dem Pfad). ↩︎

  10. Dschamgön (Tib., 'Jam mgon), wörtlich „Beschützer Mañjughoṣa“, ist ein Beiname Dsche Tsongkapas, der zum Ausdruck bringt, dass er in seinem Wesen als eins mit Mañjuśrī angesehen wird. ↩︎

  11. Jina, rGyal ba, auch dies ein Beiname des Buddha. ↩︎

  12. Rājaparikathā-ratnāvalī, rGyal po la gtam bya ba rin po che'i phreng ba. DT Khe S. 215.5, Übersetzt in: Jeffrey Hopkins / Lati Rinpoche (ed.), The Precious Garland and The Song of the Four Mindfulnesses, London: George Allen and Unwin, 1975.* ↩︎

  13. Prajñānāma-mūlamadhyamaka-kārikā, dbU ma rtsa ba'i shes rab. Übersetzt von F.J. Streng in: Emptiness, Nashville und New York: Abingdon, 1967, und anderen.* ↩︎

  14. Catuḥśataka, bZhi brgya ba. Engl. Übersetzung von Ruth Sonam: Yogic Deeds of Bodhisattvas. Gyel-tsap on Āryadeva's Four Hundred. Commentary by Geshe Sonam Rinchen. New York: Snow Lion, 1994.* ↩︎

  15. Madhyamakāvatāra, dbU ma la 'jug pa. Teilweise übersetzt (6. Kapitel) von Stephen Batchelor in: Geshe Rabten, Echoes of Voidness, London: Wisdom, 1983, und (1. Kapitel) von Jeffrey Hopkins in: Compassion in Tibetan Buddhism, New York: Snow Lion, 1980. ↩︎

  16. „Die zehn Subtilen und Zunehmenden“ (Tib. phra rgyas) ist im abhidharma der Name für die sechs Wurzelleidenschaften, die später im Text ausführlich erörtert werden. Sie werden als „subtile und zunehmende“ Triebe bezeichnet, weil sie aus einem anfänglich subtilen, schwer zu erkennenden Zustand heraus im Geistkontinuum stark anwachsen, wenn sie mit bestimmten Objekten und anderen Bewusstseinsfaktoren zusammenkommen, die das Entstehen von Leidenschaften fördern. ↩︎

  17. Madhyāntavibhaṅga, dBus mtha' rnam 'byed. Übersetzt von T. Stcherbatsky, Madhyānta-Vibhanga, Calcutta: Indian Studies Past and Present, 1971. ↩︎

  18. Das folgende Zitat stammt aus Gyältsab Dsches Kommentar zu Asaṅgas Kompendium des Höheren Wissens mit dem Titel Essenz des Ozeans des Höheren Wissens (Chos mngon rgya mtsho snying po). Gyältsab Dsche (rGyal-tshab) (1364-1432) war neben Kedrub Dsche (mKhas grub) (1385-1438) der andere Hauptschüler Dsche Tsongkhapas und sein erster Nachfolger als „Thronhalter von Ganden“. ↩︎

  19. Gyältsab Dsche nennt beispielhaft zwei Geistesfaktoren: Den Geistes auf ein Objekt hin zu bewegen ist die Funktion des Geistesfaktors Wille; das Nicht-Vergessen eines bekannten Objekts ist das spezifische Wesensmerkmal der Vergegenwärtigung.* ↩︎

  20. Abhidharmasamuccaya, Chos mngon pa kun tus. Übersetzt von W. Rahula: Le Compendium de la Super-Doctrine Philosophie, Paris: École Franḥaise d'Extrême Orient, 1971. ↩︎

  21. Tshad ma rigs pa'i rgyan von Dsche Tsongkhapas Schüler Gendün Drub (dGe 'dun 'grub) (1391-1475), der postum als erster Dalai Lama erkannt wurde. Er war der Gründer des Klosters Taschi Lhünpo (bKra shis lhun po)↩︎

  22. Tib. rten mtshungs pa. ↩︎

  23. Tib. dmigs pa mtshungs pa↩︎

  24. Tib. rnam pa mtshungs pa↩︎

  25. Tib. dus mtshungs pa↩︎

  26. .Tib. rdzas mtshungs pa↩︎

  27. Tib. rdzas mtshungs pa. ↩︎

  28. Tib. dmigs rnam mtshungs pa. ↩︎

  29. Tib. ngo bo mtshungs pa. ↩︎

  30. Tib. dus mtshungs pa. ↩︎

  31. Tib. khams dang sa mtshungs pa. ↩︎

  32. *Pañcaskandha-prakaraṇa, Phung po lnga'i rab tu byed pa. ↩︎

  33. rGyal-tshab Dar-ma Rin-chen, ein Hauptschüler Tsongkhapas. ↩︎

  34. In seinen Gesammelten Themen zur Gültigen Erkenntnis gibt Purbutschok Dschampa Gyatso im Abschnitt über Gewahrsein und Erkenntnis sinngemäß die gleiche Definition eines Hauptgeistes: Eine hauptsächliche Erkenntnis, die dadurch bestimmt wird, dass sie die Entität ihres Objekts erfasst. ↩︎

  35. Nach Auffassung der Schulen, die eine wahrhaft existente äußere Welt annehmen, entsteht eine Wahrnehmung aus drei Umständen: dem beherrschenden (oder befähigenden) Umstand (die zugrundeliegende Sinneskraft), dem unmittelbar vorhergehenden Umstand (ein Bewusstseinszustand im Moment unmittelbar zuvor, der das Bewusstsein auf das Objekt lenkt) und dem Beobachtungsobjekt-Umstand (das wahrgenommene Objekt). Die Cittamātra-Anhänger verneinen, dass es ein Beobachtungsobjekt-Umstand gibt, da sie eine äußere Wirklichkeit ablehnen. Wahrnehmungen werden nicht von äußeren Objekten verursacht, sondern von inneren karmischen Anlagen, die gleichzeitig das wahrgenommene Objekt und das wahrnehmende Bewusstsein hervorbringen. Siehe dazu Unterrichtseinheit II‑9, besonders die Erklärungen aus dem *Mittleren Weg der Argumentation *innerhalb der Gesammelten Themen. ↩︎

  36. Samādhirājasūtra, Ting nge 'dzin gyi rgyal po'i mdo. Teilweise übersetzt von K. Regamey in Three Chapters from the Samādhirājasūtra, Warschau: 1938. ↩︎

  37. *Akṣayamati-nirdeśa-sūtra, bLo gros mi zad pa'i mdo. ↩︎

  38. Tsongkhapas Kommentar zu Nāgārjunas Mūlamadhyamakakārikā: Ozean der Beweisführung, eine Erläuterung zu den 'Grundversen über den Mittleren Weg' (dbU ma rtsa ba'i tshig le'ur byas pa shes bya ba'i rnam bshad Rigs pa'i rgya mtsho). Übersetzung des zweiten Kapitels von Jeffrey Hopkins in Ocean of Reasoning (Dharamsala: LTWA, 1977). ↩︎

  39. Tsongkhapas Kommentar zum Madhyamakāvatāra: Die Klare Erhellung der Intention, eine ausführliche Erläuterung zum 'Eintritt in den Mittleren Weg' (dbU ma la 'jug pa'i rgya cher bshad pa dGongs pa rab gsal). Teilweise übersetzt von Jeffrey Hopkins in Compassion in Tibetan Buddhism (New York: Snow Lion, 1980) und von Stephen Batchelor in Echoes of Voidness (London: Wisdom, 1983). ↩︎

  40. Diese Definition stammt aus dem Abschnitt Gewahrsein und Erkenntnis der Gesammelten Themen zur Gültigen Erkenntnis von Purbutschok. ↩︎

  41. sarvatraga, kun 'gro lnga. ↩︎

  42. viniyata, yul nges lnga ↩︎

  43. kuśula, dge ba bcu gcig. ↩︎

  44. mūlakleśa, rtsa nyon drug. ↩︎

  45. upakleśa, nye nyon nyi shu. ↩︎

  46. aniyata, gzhan 'gyur bzhi. ↩︎

  47. vedanā, tshor ba↩︎

  48. saṃjñā, 'du shes↩︎

  49. cetanā, sems pa. ↩︎

  50. sparśa, reg pa. ↩︎

  51. manaskāra, yid la byed pa. ↩︎

  52. prakṛti, rang bzhin↩︎

  53. īśvara, dbang phyug. ↩︎

  54. sukha, bde ba. ↩︎

  55. duḥkha, sdug bsngal. ↩︎

  56. aduḥka-asukha, btang snyoms. ↩︎

  57. kāyika-vedanā, lus tshor. ↩︎

  58. caitasikī-vedanā, sems tshor. ↩︎

  59. sāmiṣa, zang zing dang bcas pa'i tshor ba. ↩︎

  60. nirāmiṣava, zang zing med pa'i tshor ba. ↩︎

  61. cakṣuḥsaṃsparśajā-vedanā, mig gi 'dus te reg pa las byung ba'i tshor ba↩︎

  62. śrotrasaṃsparśajā-vedanā, rna ba'i 'dus te reg pa las byung ba'i tshor ba. ↩︎

  63. grāṇasaṃsparśajā-vedanā, sna'i 'dus te reg pa las byung ba'i tshor ba. ↩︎

  64. jihvāsaṃsparśajā-vedanā, lce'i 'dus te reg pa las byung ba'i tshor ba. ↩︎

  65. kāyasaṃsparśajā-vedanā, lus kyi 'dus te reg pa las byung ba'i tshor ba. ↩︎

  66. manaḥsaṃsparśajā-vedanā, yid kyi 'dus te reg pa las byun ba'i tshor ba. ↩︎

  67. gredhāśrita-vedanā, zhen pa rten pa'i tshor ba. ↩︎

  68. naiṣkamyāśrita-vedanā, mngon par 'byung ba rten pa'i tshor ba. ↩︎

  69. Tib.: bsam gtan dang po'i dngos gzhi. ↩︎

  70. Tib. mtshan mar 'dzin pa. ↩︎

  71. Tib. bkra bar 'dzin pa. ↩︎

  72. Tib. mthong ba, thos pa, bye brag tu phye pa, rnam par shes pa. ↩︎

  73. Tib. don la mtshan mar 'dzin pa. ↩︎

  74. Tib. tha snyad la mtshan mar 'dzin pa. ↩︎

  75. cakṣuḥsaṃsparśajā-saṃjñā, mig gi 'dus te reg pa las byung ba'i 'du shes. ↩︎

  76. śrotrasaṃsparśajā-saṃjñā, rna ba'i 'dus te reg pa las byung ba'i 'du shes. ↩︎

  77. grāṇasaṃsparśajā-saṃjñā, sna'i 'dus te reg pa las byung ba'i 'du shes. ↩︎

  78. jihvāsaṃsparśajā-saṃjñā, lce'i 'dus te reg pa las byung ba'i 'du shes. ↩︎

  79. kāyasaṃsparśajā-saṃjñā, lus kyi 'dus te reg pa las byung ba'i 'du shes. ↩︎

  80. manaḥsaṃsparśajā-saṃjñā, yid kyi 'dus te reg pa las byung ba'i 'du shes. ↩︎

  81. sanimitta-saṃjñā, mtshan ma dang bcas pa'i 'du shes. ↩︎

  82. animitta-saṃjñā, mtshan ma med pa'i 'du shes. ↩︎

  83. parīttā-saṃjñā, chung ngu'i 'du shes. ↩︎

  84. mahadgatā-saṃjñā, rgya chen por gyur ba'i 'du shes. ↩︎

  85. apramāṇa-saṃjñā, tshad med pa'i 'du shes. ↩︎

  86. akiñcin-saṃjñā, ci yang med pa'i 'du shes. ↩︎

  87. cakṣuḥsaṃsparśajā-cetanā, mig gi 'dus te reg pa las byung ba'i sems pa. ↩︎

  88. śrotrasaṃsparśajā-cetanā, rna ba'i 'dus te reg pa las byung ba'i sems pa. ↩︎

  89. grāṇasaṃsparśajā-cetanā, sna'i 'dus te reg pa las byung ba'i sems pa. ↩︎

  90. jihvāsaṃsparśajā-cetanā, lce'i 'dus te reg pa las byung ba'i sems pa. ↩︎

  91. kāyasaṃsparśajā-cetanā, lus kyi 'dus te reg pa las byung ba'i sems pa. ↩︎

  92. manaḥsaṃsparśajā-cetanā, yid kyi 'dus te reg pa las byung ba'i sems pa. ↩︎

  93. Also die Tat in Gestalt der Absicht und die Tat als Ausführung einer Absicht. Eine ausführliche Darstellung der Tat mit den im folgenden genannten Einteilungen wurde im 2. Semester durchgenommen. Vgl. die Unterrichtsunterlagen über Die Zwölf Glieder des Abhängigen Entstehens, Allgemeine Darstellung der Tat (Unterrichtseinheit II, 17-18). ↩︎

  94. Töten, Stehlen sexuelle Verfehlungen; Lügen, Zwietracht-Säen, verletzende Rede, sinnlose Rede. ↩︎

  95. Die drei unheilsamen Verhaltensweisen des Geistes: Habgier, Übelwollen, Festhalten an verkehrten Ansichten. ↩︎

  96. Nähe Erläuterungen zu den verschiedenen Arten von Karma u.a. in Geshe Rabten: Auf dem Weg zur Geistigen Freude (Hamburg 1994), S. 37 ff. ↩︎

  97. Tib. mig gi 'dus te reg pa. ↩︎

  98. Tib. rna ba'i 'dus te reg pa. ↩︎

  99. Tib. sna'i 'dus te reg pa. ↩︎

  100. Tib. lce'i 'dus te reg pa. ↩︎

  101. Tib. lus kyi 'dus te reg pa. ↩︎

  102. Tib. yid kyi 'dus te reg pa. ↩︎

  103. chanda, 'dun pa. ↩︎

  104. adhimokṣa, mos pa. ↩︎

  105. smṛti, dran pa. ↩︎

  106. samādhi, ting nge 'dzin. ↩︎

  107. prajñā, shes rab. Allgemeiner müsste der Begriff vielleicht als „Intelligenz“ übersetzt werden, da es sich auch um leidenschaftsverbundene Formen von Intelligenz handeln kann, etwa in dem Fall von leidenschaftsverbundenen Ansichten. Da der Begriff prajñā aber in den meisten Fällen in der buddhistischen Lehre im positiven Sinne gemeint ist und die fünf Objekt-feststellenden Faktoren auch hier hauptsächlich auf die positive engere Beschäftigung mit einem heilsamen Objekt bezogen werden, wird die Übersetzung „Weisheit“ vorgezogen. ↩︎

  108. Vgl. dazu Geshe Thubten Ngawang: Vom Wandel des Geistes, das Kapitel *Grundlage der Geistesschulung, Entwickle freudiges Bemühen. *München 1994. ↩︎

  109. Dieser Zusammenhang gilt nicht nur bei der Entwicklung von Konzentration, sondern bei jeder Übung von Dharma. ↩︎

  110. Die Reihenfolge des Entstehens ist also: Vertrauen, Anstreben, Tatkraft, Beweglichkeit. ↩︎

  111. Suhṛllekha, bShes pa'i spring yig, Vers 54. Übersetzt von Geshe Lobsang Tharchin und A. B. Engle, Nāgārjuna's Letter, Dharamsala: LTWA, 1979. ↩︎

  112. Tib. bgrod pa gcig pa'i lam. Das bedeutet, dass es sich um einen Pfad handelt, den alle auf ihrem Weg zur Erleuchtung beschreiten, sei es als Hörer, Alleinverwirklicher oder Bodhisattva.* ↩︎

  113. caritaviśodhana-ālambana, spyod pa rnam sbyong gi dmigs pa. Diese Meditationsobjekte dienen dazu, zuerst starke Leidenschaften zu verringern: Jemand, bei dem Begierde dominiert, sollte über die Unattraktivität des Begierdeobjekts meditieren; wer von Hass dominiert wird, sollte liebevolle Zuneigung üben, wobei das Objekt der Feindseligkeit in einem freundlichen, angenehmen Aspekt betrachtet wird; wenn Verblendung vorherrscht, sollte man über das Abhängige Entstehen meditieren; wenn Stolz stark ist, sollte man über die Aufteilungen der Aggregate, etwa in die 18 Elemente, meditieren; wer von Ablenkung und wandernden Gedanken beherrscht wird, sollte den ein- und ausgehenden Atem beobachten. Vgl.: Geshe Thubten Ngawang: Vom Wandel des Geistes (Kapitel Grundlagen der Geistesschulung: Finde das Meditationsobjekt), Lati Rinbochay et. al.: Meditative States (London 1983), S. 81-91; Jeffrey Hopkins: Meditation on Emptiness, S. 69-71. ↩︎

  114. kleśaviśodhana-ālambana, nyon mongs rnam sbyong gi dmigs pa. Dies sind Meditationsobjekte, die nach dem Erreichen der meditativen Konzentration von Geistiger Ruhe (śamatha, zhi gnas) dazu dienen, den Geist von Leidenschaften zu reinigen. Auf dem Pfad der weltlichen Besonderen Einsicht (vipaśyanā, lhag mthong) meditiert man dazu abwechselnd über die Grobheit des Sinnlichen Bereichs und die Ruhe der Höheren Bereiche, wodurch der Geist immer tiefere Konzentrationsebenen erreicht, in denen grobe, mit Leidenschaften verbundene Geisteszustände zunehmend unterdrückt sind. Die echte, endgültige Befreiung von Leidenschaften wird allerdings nur auf dem überweltlichen Pfad der Besonderen Einsicht erreicht, auf dem eine direkte Einsicht in die Vier Wahrheiten, insbesondere in die Selbstlosigkeit, entwickelt wird. ↩︎

  115. vyāpyālambana, khyab pa'i dmigs pa. Dabei handelt es sich um Meditationsobjekte im Bereich der Gesamtheit aller Phänomene, die von der endgültigen Realität durchdrungen werden. Diese werden nochmals in vier unterteilt: (1.) geistige Bilder in Verbindung mit analytischem Denken (savikalpakapratibimba, rnam par rtog pa dang bcas pa'i gzugs brnyan), wie sie bei der Entwicklung von Besonderer Einsicht vorhanden sind, wenn der Geist eine Analyse der Beschaffenheit des Meditationsobjekts vornimmt (2.) geistige Bilder ohne analytisches Denken (nirvikalpakapratibimba, rnam par mi rtog pa'i gzugs brnyan), wie sie bei der Entwicklung von Geistiger Ruhe vorhanden sind, wenn der Geist keine Analyse der Beschaffenheit des Meditationsobjekts vornimmt, (3.) die Grenzen der Realität (vastvanta-ālambana, dngos po'i mtha' la dmigs pa), was sich auf die Beschaffenheit der Phänomene in ihrer konventionellen Vielfalt (Tib.: ji snyed pa) und auf die Beschaffenheit der Phänomene in ihrer endgültigen Natur (Tib. ji lta ba) bezieht (nach Meditative States, S. 81f.). ↩︎

  116. kauśalya-ālambana, mkhas pa'i dmigs pa. Diese werden so genannt, weil man dadurch, dass man sie zum Beobachtungsobjekt der Meditation macht, gelehrt oder bewandert in Bezug auf die verschiedenen Arten von Phänomenen wird (vgl. Meditative States, S. 87-90). ↩︎

  117. Körperliche Objekte wie eine Buddhastatue sind zwar geeignete Meditationsobjekte bei der Übung von Konzentration; aber nicht so, dass sie mit den Augen betrachtet werden, sondern indem man sie sich im Geist vorstellt und so das Geistige Bewusstsein darauf richtet. ↩︎

  118. vinaya, 'dul ba. ↩︎

  119. Tib. bya ba byed pa'i rigs pa. ↩︎

  120. Tib. ltos pa'i rigs pa. ↩︎

  121. Tib. 'thad pas sgrub pa'i rigs pa. ↩︎

  122. Tib. chos nyid kyi rigs pa. ↩︎

  123. In seinen Vorträgen in der Harvard University sagt der Dalai Lama zu diesen Untersuchungsmethoden:„Im Zusammenhang mit den Vier Wahrheiten der Heiligen werden 16 Attribute erklärt; vier für jede der Vier Wahrheiten. Was ist der Grund dafür, dass diese Themen in solch detaillierter Form dargelegt werden? Nach buddhistischer Darstellung kommt die Wurzel des Leidens durch die Macht von Unwissenheit zustande. Unwissenheit aber muss durch unterscheidende Weisheit zerstört werden. Was nun die Art und Weise angeht, wie unterscheidende Weisheit ihre Objekte erforscht und untersucht, so gibt es sechs Untersuchungsmethoden, die alle mit dem Ziel angewendet werden, Schritt für Schritt das Leiden an seiner Wurzel zu zerstören. Die erste Untersuchungsmethode besteht darin, dass die Bedeutung von Worten untersucht wird; das heißt, dass man eine Darstellung Wort für Wort auf ihren Inhalt hin erforscht. Die zweite Untersuchungsmethode erforscht die Dinge selbst in Hinsicht darauf, ob sie innere oder äußere Phänomene sind. Die dritte Untersuchungsmethode forscht nach den charakteristischen, wesenhaften Merkmalen von Phänomenen, wobei die individuellen Merkmale eines Phänomens und dessen allgemeine Merkmale unterschieden werden. Die vierte Untersuchung besteht darin, die verschiedenen Kategorien der Phänomene daraufhin zu untersuchen, wo förderliche und nicht-förderliche Faktoren bestehen. Die fünfte Untersuchung ist die der Zeit; denn die Umwandlung der Phänomene beruht auf der Zeit. Die sechste Untersuchung erforscht die Logik selbst, wobei in diesem Zusammenhang vier Arten der Logik erklärt werden:

    1. Die Beweisführung unter Berücksichtigung der Abhängigkeiten: dass Wirkungen von Ursachen abhängig sind,

    2. Die Beweisführung unter Berücksichtigung der Erfüllung von Funktionen: zum Beispiel, dass Feuer die Funktion des Brennens oder Wasser die Funktion des Befeuchtens erfüllt,

    3. Die Beweisführung unter Berücksichtigung des Wesens, das heißt der natürlichen Beschaffenheit: dass jedes Phänomen sein eigenes Wesen trägt; zum Beispiel, dass Feuer das Wesen der Hitze und Wasser das Wesen der Nässe besitzt,

    4. Die Beweisführung unter Berücksichtigung der logischen Gültigkeit: dass kein Widerspruch [der Beurteilung eines Sachverhalts] zur unmittelbaren Wahrnehmung oder zur Gültigen Schlussfolgerung besteht.“

    (Siehe Dalai Lama, Einführung in den Buddhismus. Die Harvard-Vorlesungen. Freiburg, ^4^1993, S. 27f.) ↩︎

  124. Tsongkhapa: Die Zielsetzungen für das Heilsame zu Anfang, in der Mitte und am Ende (Thog mtha' bar du dge ba'i smon lam). Übersetzt von C. Spitz, Hamburg 1982 (unveröffentlicht, im Tibetischen Zentrum e.V. erhältlich). ↩︎

  125. śraddhā, dad pa. ↩︎

  126. hrī, ngo tsha shes pa. Bei der Besprechung der Geistesfaktoren nach dem Schatzhaus wurde dieser Faktor „Schamgefühl“ genannt. Nach Asaṅgas Erklärung scheint hier „Selbstachtung“ die passendere Übersetzung zu sein. ↩︎

  127. apatrāpya, khrel yod pa. Beim Studium des Schatzhauses wurde dieser Faktor „Gewissensscheu“ genannt. ↩︎

  128. alobha, ma chags pa. ↩︎

  129. ^^** **adveṣa, zhe sdang med pa. ↩︎

  130. amoha, gti mug med pa. ↩︎

  131. vīrya, brtson 'grus. ↩︎

  132. prasrabdhi, shin tu sbyangs pa. ↩︎

  133. apramāda, bag yod po. ↩︎

  134. upekṣā, btang snyoms. ↩︎

  135. avihiṃsā, rnam par mi 'tshe ba. ↩︎

  136. Tib.: dang ba'i dad pa. ↩︎

  137. Tib.: yid ches kyi dad pa. ↩︎

  138. Tib.: mngon 'dod kyi dad pa. ↩︎

  139. Tib.: dga' ba. ↩︎

  140. Tib.: gus pa. ↩︎

  141. Ārya-ratnolka-nāma-dhāraṇī-mahāyāna-sūtra, 'Phags pa dkon mchog ta la la'i gzungs shes bya ba theg pa chen po'i mdo (P472).* ↩︎

  142. Hier sind wahrscheinlich die „vier Strömungen“ (chu bo bzhi) gemeint, von denen man im Daseinskreislauf unfreiwillig fortgetragen wird: dem Strom des Verlangens (sred pa'i chu bo), dem Strom des Werdens (srid pa'i chu bo), dem Strom der Ansichten (lta ba'i chu bo) und dem Strom der Unwissenheit (ma rig pa'i chu bo). Diese werden im Schatzhaus gelehrt und unter anderem von Dsche Tsongkapa in seinem bekannten Text Die Drei Hauptaspekte des Pfades erwähnt. Vgl. Der Tibetische Buddhismus, 1. Teil, S. 69-74.* ↩︎

  143. „Glück“ bezieht sich auf das vorläufige Wohlergehen einer Existenz in einem glücklichen Daseinsbereich im Daseinskreislauf (als Mensch oder Gott), das „Gute“ bezieht sich auf das Endgültig Gute, die endgültige Befreiung aus allen Bereichen des Daseinskreislaufs.* ↩︎

  144. Ārya-daśadharmaka-nāma-mahāyāna-sūtra, 'Phags pa chos bcu pa'i theg pa chen po'i mdo (P760,9).* ↩︎

  145. Śikṣasamuccaya, bsLab pa kun btus. ↩︎

  146. vinaya-piṭaka, 'dul ba'i sde snod. ↩︎

  147. sūtra-piṭaka, mdo sde'i sde snod. ↩︎

  148. abhidharma-piṭaka, chos mngon pa'i sde snod. ↩︎

  149. trīṇiśikṣāṇi, bslab pa gsum. ↩︎

  150. śīla, tshul khrims. ↩︎

  151. samādhi, ting nge 'dzin. ↩︎

  152. prajñā, shes rab. ↩︎

  153. *mDo sdud pa, Prajñāpāramitā-saṃcayagāthā. ↩︎

  154. Mit den „fünf Vollkommenheiten“ sind die ersten fünf der Sechs Vollkommenheiten gemeint: Freigebigkeit, ethische Disziplin, Geduld, Tatkraft und meditative Sammlung. Ohne Weisheit sind sie keine echten „Vollkommenheiten“: Das Sanskrit-Wort (pāramitā) bedeutet wie dessen tibetisches Äquivalent (phar rol tu phyin pa) „auf die andere Seite gegangen“. Die „andere Seite“ ist die über das Meer des Daseinskreislaufs hinübergelangte, vollkommene Erleuchtung. Durch die Weisheit werden diese Tugenden also zu „transzendenten“ Tugenden, die aus dem Daseinskreislauf herausführen. Ohne Weisheit führen sie nur zu vorübergehenden Annehmlichkeiten im Daseinskreislauf und nicht zur Befreiung.* ↩︎

  155. Als „die drei Sphären“ (Tib.: 'khor gsum) werden der Handelnde, die Handlung (oder auch der Gegenstand) und das Objekt der Handlung bezeichnet. Beim Geben zum Beispiel sind die „drei Sphären“ der Gebende, die Gabe und derjenige, dem gegeben wird. Solange diese nicht als leer von Selbstexistenz erkannt werden, ist die Freigebigkeit noch keine echte Vollkommenheit.* ↩︎

  156. Tib.: go cha'i brtson 'grus. ↩︎

  157. Tib.: dge ba'i chos sdud kyi brtson 'grus. ↩︎

  158. Tib.: sems can don byed kyi brtson 'grus. ↩︎

  159. Tib.: sbyor ba'i brtson 'grus. ↩︎

  160. Tib.: mi 'gong pa'i brtson 'grus. ↩︎

  161. Tib.: mi ldog pa'i brtson 'grus. ↩︎

  162. Tib.: chog par mi 'dzin pa'i brtson 'grus. ↩︎

  163. *Pāramitāsamāsanāma, phar phyin bsdus pa. ↩︎

  164. Tib.: rtag sbyor gyi brtson ´grus. ↩︎

  165. Tib.: gus sbyor gyi brtson ´grus. ↩︎

  166. *Jātaka, sKyes rab. ↩︎

  167. *Adhyāśasaṃcodanasūtra, Lhag bsam bskul ba. ↩︎

  168. *Mahāyānasūtrālaṃkara, Theg pa chen po'i mdo sde'i rgyan. ↩︎

  169. Tib. sngon kyi mtha' dang ldan pa'i bag yod. ↩︎

  170. Tib. phyi ma'i mtha' dang ldan pa'i bag yod. ↩︎

  171. Tib. dbus kyi mtha' dang ldan pa'i bag yod. ↩︎

  172. Tib. snga nas bya ba'i bag yod. ↩︎

  173. Tib. rjes su spyod pa'i bag yod. ↩︎

  174. Zur Entwicklung der Geistigen Ruhe über die Neun Verweilungsstufen des Geistes vgl. Geshe Thubten Ngawang: Śamatha – Die Entfaltung von Geistiger Ruhe. Hamburg, ^3^1993. Außerdem wird dieses Thema ausführlich am Ende des Lamrim-Studienjahres behandelt. ↩︎

  175. pravrajita, rab tu byung ba. Wörtlich „wer dem Hausleben entsagt hat und in die Hauslosigkeit gegangen ist“: die Mönche und Nonnen.* ↩︎

  176. Tib. dge sbyong du byed pa'i chos bzhi. ↩︎

  177. Tib. gshe yang slar mi gshe/ khros kyang slar mi khro/ brdegs kyang slar mi brdeg/ mtshang brus kyang slar mtshang mi 'bru. ↩︎

  178. Tib. ngo bo nyid kyis dge ba. ↩︎

  179. Tib. 'brel bas dge ba. ↩︎

  180. Tib. rjes su 'brel bas dge ba. ↩︎

  181. Tib. slong bas dge ba. ↩︎

  182. Tib. don dam pas dge ba. ↩︎

  183. Tib. skyes thob kyis dge ba. ↩︎

  184. Tib. sbyor bas dge ba. ↩︎

  185. Tib. mdun du byas pas dge ba. ↩︎

  186. Tib. phan 'dogs pas dge ba. ↩︎

  187. Tib. yongs su 'dzin pas dge ba. ↩︎

  188. Tib. gnyen pos dge ba. ↩︎

  189. Tib. nye bar zhi bas dge ba. ↩︎

  190. Tib. rgyu mthun pas dge ba. ↩︎

  191. Tib. bsdu ba'i dngos po bzhi. Diese sind: (1) das Geben von materiellen Dingen (zang zin gi sbyin pa), (2) wohlklingend zu reden (in dem Sinne, dass es zu glücklichen Daseinsbereichen und zur Befreiung führt) (snyan par smra ba), (3) Sorge zu tragen, dass sich die Schüler sinnvoll verhalten (entsprechend den Unterweisungen, die man ihnen gibt) (don spyod pa), (4) sich selbst nach den Anweisungen zu verhalten, die man den Schülern gibt (don mthun pa)↩︎

  192. Tib. ngo bo nyid kyis mi dge ba. ↩︎

  193. Tib. 'brel bas mi dge ba. ↩︎

  194. Tib. rjes su 'brel bas mi dge ba. ↩︎

  195. Tib. slong bas mi dge ba. ↩︎

  196. Tib. don dam pas mi dge ba. ↩︎

  197. Tib. skyes thob kyis mi dge ba. ↩︎

  198. Tib. sbyor bas mi dge ba. ↩︎

  199. Tib. mdun du byas pas mi dge ba. ↩︎

  200. Tib. gnod pa byed pas mi dge ba. ↩︎

  201. Tib. yongs su 'dzin pas mi dge ba. ↩︎

  202. Tib. mi mthun phyogs kyis mi dge ba. ↩︎

  203. Tib. bar du gcod pas mi dge ba. ↩︎

  204. Vgl. Nāgārjunas Freundschaftlicher Brief (Vers 32):Der Überwinder hat gelehrt, dass Vertrauen, Ethik, Freigebigkeit, Gelehrsamkeit, Selbstachtung, Rücksichtnahme und Weisheit die sieben Reichtümer sind. Erkenne, dass andere Reichtümer gewöhnlich und ohne Bedeutung sind. ↩︎

  205. Tib. don gnyis. Der Ausdruck „die zwei Arten des Wohles“ kann sich entweder auf das vorläufige Wohlergehen im Daseinskreislauf und das endgültige Wohlergehen der Befreiung oder auf das Wohlergehen dieses Lebens und das Wohlergehen in späteren Leben oder auf das eigene Wohl und das Wohl der anderen beziehen. ↩︎

  206. „Der mit Gutem Geist“ ist die wörtliche Übersetzung von Lobsang (bLo bzang), des ersten Teils des eigentlichen Namens von Dsche Tsongkhapa, nämlich Lobsang Drakpa (bLo bzang Grags pa). ↩︎

  207. rāga, 'dod chags. ↩︎

  208. pratigha, khong khro. ↩︎

  209. māna, nga rgyal. ↩︎

  210. avidyā, ma rig pa. ↩︎

  211. vichikitsā, the tshom. ↩︎

  212. dṛṣṭi, lta ba nyon mongs can. ↩︎

  213. Byang chub lam rim che ba. S. 233,15 (Tsongön: Mirig Petrün Kang [mTsho sngon mi rigs dpe krun khang], 1985). ↩︎

  214. Tib. 'dod pa'i 'dod chags. ↩︎

  215. Tib. gzugs kyi 'dod chags. ↩︎

  216. Tib. gzugs med kyi 'dod chags. ↩︎

  217. Tib. srid pa'i 'dod chags. ↩︎

  218. Tib. 'dod pa'i yon tan lnga. ↩︎

  219. Rājaparikathā-ratnamālā, rGyal po la gtam bya ba rin po che'i phreng ba. Übersetzt von J. Hopkins und Lati Rinpoche in The Precious Garland and The Song of the Four Mindfulnesses (London: George Allen and Unwin, 1975).* ↩︎

  220. *Jātaka, sKyes rab. ↩︎

  221. Tib. nga rgyal. ↩︎

  222. Tib. lhag pa'i nga rgyal. ↩︎

  223. Tib. nga rgyal las kyang nga rgyal. ↩︎

  224. Tib. nga'o snyam pa'i nga rgyal. ↩︎

  225. Tib. mngon pa'i nga rgyal. ↩︎

  226. Tib. cung zad snyam pa'i nga rgyal. ↩︎

  227. Tib. log pa'i nga rgyal. ↩︎

  228. Die Übersetzung folgt der Lesart in der Der-ge-Ausgabe des Tän-gjur (khe, 122a.5-122b.2), dem Kommentar von Gyältsab Dsche (Gesammelte Werke, ka, 64b.1-65a.2) und der Übersetzung von J. Hopkins und Lati Rinpoche. ↩︎

  229. Tib. *bdag nyid nga rgyal. ↩︎

  230. Tib. dman pa'i nga rgyal. Gyältsab Dsche sagt in seinem Kommentar dazu: „Man mag sich fragen, wie denn wohl der Gedanke, man sei niedriger als der Niedrige, Stolz sein kann. [Das ist möglich]: Dies ist nämlich der Gedanke in Gestalt des Hochmuts, dass man es angemessen findet, noch niedriger als jemand Niedriges zu sein.“* ↩︎

  231. Die Leidenschaften führen zuerst als vollständig gereifte karmische Frucht zur Wiedergeburt in elenden Daseinsbereichen. Selbst wenn man danach als Mensch wiedergeboren wird, muss man noch die Wirkungen, die der Ursache entsprechen, erfahren.* ↩︎

  232. Tib. las 'bras la rmongs pa'i ma rig pa. ↩︎

  233. Tib. de kho na nyid la rmongs pa'i ma rig pa. ↩︎

  234. Tib. rTen 'brel bstod pa. Der genaue Titel lautet: Die Essenz der Guten Lehren, ein Lobpreis des Gesegneten Buddha aufgrund seiner Lehre über das tiefgründige Abhängige Entstehen (Sangs rgyas bcom ldan 'das la zab mo rten cing 'brel bar 'byung ba gsung ba'i sgo nas bstod pa legs bar bshad pa'i snying po). Übersetzung von Geshe Wangyal (mit Erklärungen) in: Tibetische Meditationen (Zürich 1975) und von C. Spitz: Das Wesentliche der Guten Erklärung, ein Lob an Munindra (Hamburg: Tibetisches Zentrum, 1981). Ein mündlicher Kommentar von Geshe Thubten Ngawang (1996) ist über Kassetten im Tibetischen Zentrum erhältlich. ↩︎

  235. Tib. mthong spangs kun sbyor. Die drei Faktoren der völligen Bindung sind:1.Die Ansicht der vergänglichen Anhäufung als Ich und Mein. Sie führt dazu, dass man den Pfad zur Befreiung fürchtet und nicht gehen möchte und dadurch gebunden bleibt.

    2. Die Ansicht, bestimmte schädliche Formen der Disziplin und der Übung seien die besten. Sie führt dazu, dass man einen falschen Pfad für einen einwandfreien Pfad hält und dadurch gebunden bleibt.

    3. Der Zweifel an dem richtigen Pfad. Er verstellt den Weg zur Befreiung und führt dazu, dass man weiter an den Daseinskreislauf gebunden bleibt.

    (Diese Darstellung stammt aus dem Großen Tibetisch-Chinesischen Wörterbuch (bod rgya tshig mdzod chen mo), Mirig Petrün Kang 1984.) ↩︎

  236. satkāya-dṛṣṭi, 'jig tshogs la lta ba. ↩︎

  237. antagrāha-dṛṣṭi, mthar 'dzin pa'i lta ba. ↩︎

  238. dṛṣṭi-parāmarśa, lta ba mchog 'dzin. ↩︎

  239. śilavrata-parāmarśa, tshul khrim dang brtul zhugs mchog 'dzin. ↩︎

  240. mithyā-dṛṣṭi, log lta. ↩︎

  241. Tib. shes rab nyon mongs can. Hier wurde shes rab nicht mit „Weisheit“, sondern „Intelligenz“ übersetzt. ↩︎

  242. Tib. gZhon nu ma bdun gyi rtogs brjod. Deutsche Übersetzung: Lobsang Dargyey, Die Legende von den Sieben Prinzessinnen (Saptakumakārikā-Avadāna), Wiener Studien zur Tibetologie und Buddhismuskunde, Heft 2, 1978.* ↩︎

  243. Madhyamakāvatāra, dbU ma la 'jug pa. Übersetzung des VI. Kapitels von Stephen Batchelor in: Geshe Rabten, Echoes of Voidness (London: Wisdom, 1983).* ↩︎

  244. dbU ma dgongs pa rab gsal. ↩︎

  245. krodha, khro ba. ↩︎

  246. upanāha, 'khon 'dzin. ↩︎

  247. mrakṣa, 'chab pa. ↩︎

  248. pradāśa, 'tshig pa. ↩︎

  249. irṣyā, phrag dog. ↩︎

  250. mātsarya, ser sna. ↩︎

  251. māyā, sgyu. ↩︎

  252. śāṭhya, g.yo. ↩︎

  253. mada, rgyags pa. ↩︎

  254. vihiṃsā, rnam par tshe ba. ↩︎

  255. āhrīkya, ngo tsha med pa. ↩︎

  256. anapatrāpya, khrel med pa. ↩︎

  257. styāna, rmugs pa. ↩︎

  258. auddhatya, rgod pa. ↩︎

  259. āśraddhya, ma dad pa. ↩︎

  260. kausīdya, le lo. ↩︎

  261. pramāda, bag med pa. ↩︎

  262. muṣitasmṛtitā, brjed nges pa. ↩︎

  263. asaṃprajanya, shes bzhin ma yin pa. ↩︎

  264. vikṣepa, rnam par gyeng ba. ↩︎

  265. Tib. kun nas mnar sems kyi gzhi dgu. ↩︎

  266. Nāgārjuna in Der Kostbare Kranz von Anweisungen an den König; s. auch Darstellung der Wut. ↩︎

    1. fühlende Wesen, 2. Leiden innerhalb des eigenen Kontinuums,
    2. die Umstände, aus denen diese Leiden entstehen, s. den Abschnitt über die Wut.
     ↩︎
  267. Tib. *Zla ba sgron ma'i mdo. ↩︎

  268. Tib. sGo mtha' yas pa sgrub pa'i gzungs. Das Wort dharaṇī (gzungs) hat offensichtlich viele Bedeutungen. In seiner Hauptbedeutung bezeichnet es das Gedächtnis, das die Worte und die Inhalte des Dharma nicht vergisst. Dieses Gedächtnis ist eine Entität von besonderer Vergegenwärtigung und Weisheit; dadurch besitzt es eine Wirkungsweise, die die Kraft besitzt, heilsame Eigenschaften beizubehalten und unheilsame Eigenschaften zu beseitigen. (Diese Erklärung folgt dem Großen Tibetisch-Chinesischen Wörterbuch, Stichwort „gzungs“.) Außerdem bezeichnet dharaṇī Mantra-ähnliche, meist längere Gebetsformeln auf Sanskrit, die von den Tibetern nicht in ihre eigene Sprache übersetzt wurden.* ↩︎

  269. Tib. tshul 'chos. ↩︎

  270. Tib. kha gsag. ↩︎

  271. Tib. gzhogs slong. ↩︎

  272. Tib. thob kyis 'jal ba. ↩︎

  273. Tib. rnyed pas rnyed pa 'tshol ba. ↩︎

  274. Eine Auflistung dieser Eigenschaften und ihrer Gegenteile findet sich in einer Fußnote bei der Erklärung der Falschheit im Unterricht von Geshe Thubten Ngawang. ↩︎

  275. Tib. sems phyir 'phro ba↩︎

  276. Siehe die Beschreibung der drei Arten des Vertrauens S. 73. ↩︎

  277. *Smṛtyupasthāna, Dran pa nye bar bzhag pa. ↩︎

  278. Tib. ngo bo nyid kyi g.yeng ba↩︎

  279. Tib. phyi rol tu g.yeng ba↩︎

  280. Tib. nang gi g.yeng ba↩︎

  281. Tib. mtshan ma'i g.yeng ba↩︎

  282. Tib. gnas ngan len gyi g.yeng ba↩︎

  283. Tib. yid la byed pa'i g.yeng ba↩︎

  284. middha, gynid. ↩︎

  285. kaukṛtya, 'gyod pa↩︎

  286. vitarka, rtog pa↩︎

  287. vichāra, dpyod pa↩︎